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Erst
war es nur einer, dann wurden es immer mehr. Niemand weiß, woher sie
kamen, jeder weiß, wohin sie wollen. Sie haben die Straße erobert.
Doch unsere kleine Gemeinde gibt nicht auf. Sie hat sich formiert,
fest entschlossen, den Kampf aufzunehmen, mutig und
aufopferungsbereit, gegen
Die
Invasion der Rasenmäher
Es
war einer jener Sommertage, in dem sich Lerchen in die Höhe
schraubten, Eisverkäufer mit fröhlichem Glockengebimmel die
Straßen entlang fuhren und sich auf dem Wochenmarkt Nachbarn trafen.
Ein paar Straßenzüge weiter durchbrach lautes Summen die
Mittagsstille. Dietrich schreckte hoch, öffnete die Augen und
starrte in die Sonne. Geblendet fiel er in den Liegestuhl zurück.
“Marta,
doch nicht jetzt! Schalte den Rasenmäher ab!”
“Dietrich,
hast du was gesagt?”, rief Marta aus dem Badezimmer.
“Ich
sagte, schalte den Rasenmäher…”, Dietrich hielt verdutzt ein
sprang von seiner Liege hoch.
“Das
ist doch…” Dietrich lief barfuß über die Terrasse zum
Fischteich, blickte zum Rasen hinüber. Ein chromblitzender
Rasenmäher glitt wie von Geisterhand bewegt über das Gras hinweg.
Dietrich trat näher an das Gerät heran. Es besaß keine
Griffstangen, keine Räder, schwebte ein paar Zentimeter über dem
Boden. Luftkissen? Gab es einen Abschaltknopf? Dietrich ging weiter
auf den Rasenmäher zu. Urplötzlich änderte der seine Richtung,
schoss mit einem wütend klingenden Heulton auf ihn zu während sich
eine rotierende Säge aus ihm herausschob. Erschreckt wich Dietrich
zurück, stolperte und fiel rücklings in den Fischteich. Das
schrille Signal verstummte, die Säge glitt zurück und der Apparat
nahm seine Arbeit auf.
“Dietrich,
was hattest du gesagt? Was machst du da im Fischteich?”
“Einen
Schwimmversuch”, knurrte Dietrich wütend und rappelte sich hoch.
“Sieh mal auf den Rasen.”
Marta
drehte sich um und blickte verblüfft auf das Gerät, welches die
letzten Stellen des Rasens zurückstutzte.
“Wo
kommt der denn her?”
“Keine
Ahnung”, murmelte Dietrich, so leise, als ob der Apparat mithören
könnte. “Der ist von allein gekommen und wird hoffentlich auch von
allein wieder verschwinden.”
“Dietrich,
behalten wir ihn doch. Der nimmt uns die ganze Arbeit ab.”
Marta
sah zur Pforte hinüber. Sie war verschlossen.
“Na,
der kann ohnehin nicht raus.”
Der
Rasenmäher glitt zur Gartenpforte, hielt vor dem Ausgang. Mit
fauchenden Düsen hievte er sich auf eine Höhe von zwei Metern, flog
über die Pforte hinweg, verharrte über dem Fußweg der Straße,
senkte sich auf Luftkissenniveau und fing an, das Gras neben dem
Gehsteig zu schneiden. Marta und Dietrich blickten über den Zaun,
sahen, wie der Apparat plötzlich anhielt und auf dem nächsten
Grundstück verschwand.
“Die
Müllers werden sich wundern, wenn sie aus ihrem Urlaub
zurückkommen.” Dietrich schüttelte den Kopf und ging zu seinem
Liegestuhl zurück.
Am
nächsten Morgen sah Dietrich auf dem Weg zur Arbeit, dass auf allen
Bürgersteigen Rasenmäher patroullierten. Passanten, die ihnen zu
nahe kamen, liefen vor Schreck auf die Straße, wenn sich die
Apparate unter schrillem Gesumme mit ausgefahrenen Sägen auf sie
stürzten. Die meisten Zwischenfälle liefen glimpflich ab, dann aber
gab es amputierte Füße.
Die
Bevölkerung war alarmiert.
“Eine
Gefahr für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit”, erklärte der
Bürgermeister in einer Pressenotiz. Polizisten rückten mit
Lastwagen an, schwärmten aus. Es war ein aussichtsloses Unterfangen.
Sie hatten keine Chance, als die Apparate auf sie zuflogen.
Revolverschüsse, Brüllen - blutende, verstümmelte Polizisten -
der Befehl zum Rückzug. Rasenmäher hatten den Kampf für sich
entschieden. -----------------------
“Petermann,
machen Sie das Licht aus!” Assessor Petermann ging zum Eingang des
Klassenzimmers, schaltete die Deckenbeleuchtung aus.
“Meine
Damen und Herren”, das Licht eines Diaprojektors warf den Schatten
des Mannes auf die Leinwand. “Die Lage ist ernst. Wir haben hier in
der Friedrich Ebert Schule das Operationszentrum eingerichtet, um
Informationen über ein Phänomen zu sammeln, das sich unserer
Vorstellungskraft entzieht. Es sieht so aus, als seien wir die
einzige Gemeinde, die dieses Problem hat. Sehen Sie selbst.”
Bürgermeister
Fischer betätigte den Projektor.
“Auf
diesem Bild, dass von einem Polizeihubschrauber stammt, können sie
sehen, dass die Apparate aus dem Sachsenwald kommen. Alle Versuche,
ihnen den Weg abzuschneiden, sind fehlgeschlagen. Eine Hundertschaft
von Polizeibeamten, die in den Wald eingedrungen war, ist nicht mehr
zurückgekehrt.”
Fischer
zeigte ein neues Foto.
“Hier
sehen Sie einen der Invasoren.” Er blickte ernst in die Runde.
“Wir
müssen herausbekommen, mit wen wir es zu tun haben, um sie bekämpfen
oder um uns mit ihnen arrangieren zu können. Einige Experten, die
wir eingeladen haben, sollen uns dabei helfen. Petermann, schalten
Sie das Licht wieder ein.”
Die
Deckenlampen flammten auf.
“Herr
Müller-Hagen”, wandte sich Fischer an einen der Anwesenden. “Sie
sind Mechanikermeister und haben tagtäglich mit der Reparatur von
Rasenmähern zu tun. Haben sie auf dem letzten Foto irgendetwas
erkennen können, das Ähnlichkeit mit einem herrkömmlichen Gerät
hat?”
Müller-Hagen
stand auf und blickte bedeutungsvoll um sich.
“Aus
meiner langjährigen Praxis heraus kann ich Ihnen sagen: so einen
Rasenmäher gibt es nicht. Das ist kein Rasenmäher. Auch wenn er
Rasen mäht. Dieser Apparat hat nichts, was ein Rasenmäher haben
muss. Er hat keinen Führungsholm, keinen Gasbedienungshebel. Das
heißt, das Gerät ist nicht dafür bestimmt, von Menschen benutzt zu
werden. Ich sah keine Zündkerzen, keine Zündkabel. Was ist das für
ein Motor? Es gibt keinen Grasfangkorb, und wo ist denn die
TUEV-Plakette?” Müller-Hagens Stimme überschlug sich..
“Haben
Sie, meine Damen und Herren, geschnittenes Gras gesehen, wo eines
dieser Geräte tätig gewesen ist? Haben Sie mal darauf geachtet? -
Es gibt kein geschnittenes Gras. Es verschwindet während des
Schneidens!”
Müller-Hagens
Augen traten fast aus den Höhlen, als er herausbrüllte.
“Wir
werden von Rasenmähern aus dem Weltraum attackiert!”
Im
Klassenzimmer wurde es unruhig. Aliens? Nervös redeten die Leute
durcheinander.
“Na,
auf jeden Fall besser, als von wild gewordenen Handfegern”, lachte
einer.
“Halten
Sie Ihren Mund, das ist kein Spaß. Sehen Sie mal durch das Fenster.”
Eine
dicke Frau schob den Vorhang zur Seite.
“Seht
doch. Fünf Rasenmäher auf dem Gras und sie kommen auf uns zu!”
Sie
stürzten zum Fenster und starrten entsetzt hinaus. Doch die
Rasenmäher bogen ab, setzten ihre Arbeit fort.
“Vielen
Dank, Herr Müller-Hagen.” Bürgermeister Fischers ruhige Stimme
legte sich wie Balsam auf die erregten Gemüte. “Ich möchte Ihnen
Herrn Professor Schneider vorstellen, der die Robotik-Abteilung der
Universität unserer Kreisstadt leitet. Herr Schneider, wie sollten
wir mit diesem Phänomen umgehen?”
Schneider
stand von seinem Platz auf. “Entspannter, meine Damen und Herren.
Entspannter. Es handelt sich um autonome Einheiten, um Roboter, die
nur für eines programmiert sind, Rasen zu mähen. Ich meine auch,
dass sie nicht von der Erde stammen, aber das sollte doch kein Grund
sein, nicht mit ihnen klarzukommen.
Ist
Ihnen nicht aufgefallen”, wandte sich Schneider an die Anwesenden,
“dass die Geräte nur dann aggressiv werden, wenn sie sich in ihrer
Arbeit behindert fühlen? Ich schlage vor, solange wir sie nicht
vertreiben oder vernichten können, sollten wir sie gewähren lassen.
Das gebietet auch der Selbsterhaltungstrieb. Schließlich haben wir
bis jetzt jedes Scharmützel gegen sie verloren.
Meine
Damen und Herren. Das Verhalten der Rasenmäher erinnert mich sehr
stark an die Vorgehensweise von Ameisen, die kooperativ interagieren,
wenn es darum geht, ein Stück Arbeit zu bewältigen, welches für
den Einzelnen zu aufwendig ist. Ameisen hinterlegen eine
Pheromonspur, eine Spur chemischer Substanzen, die andere Ameisen
anziehen. Wenn ein Stück Arbeit zu bewältigen ist, wie das
Zerschneiden oder der Transport eines großen Blattes, dann lockt die
Ameise, welche die Arbeit nicht allein schafft, weitere Ameisen an,
bis die Arbeit kooperativ durchgeführt werden kann.
Nun
stellen Sie sich einen Sportplatz vor, der aufgrund seiner Größe
von einem Rasenmäher nicht allein in einer bestimmten Zeit
bearbeitet werden kann. Hier sehen Sie ein Foto, welches ich heute
früh am Gemeindesportplatz gemacht habe.”
Schneider
drückte auf die Fernbedienung des Diaprojektors.
“Auf
dem Bild sehen Sie den Sportplatz und einen einzigen Rasenmäher, der
durch Zufall auf dieses Objekt gestoßen ist.”
Ein
neues Bild tauchte auf der Leinwand auf.
“Was
macht er jetzt? Er fängt nicht sofort an, Gras zu schneiden, sondern
er gleitet zur nächsten Straßenkreuzung zurück und von dort aus
wieder zum Sportplatz. Dieser Vorgang wiederholt sich einige Male.
Was schließen wir nun daraus?”
Schneider
blickte triumphierend in die Runde.
“Gleich
Ameisen hinterlegen auch diese Geräte eine Signalspur, welche andere
Apparate anlockt.
Eine
Stunde später teilen sich etwa dreißig Rasenmäher die Arbeit unter
sich auf.”
Schneider
zeigte das nächste Foto.
“Was
bedeutet das nun für uns?”, fragte Fischer. “Wie können wir das
für uns nutzen?”
“Es
ist zu früh, etwas sagen zu können. Wir benötigen mehr
Informationen. Wenn eine Schwarmintelligenz wie die der Ameisen das
Verhalten der Rasenmäher steuert, dann können wir davon ausgehen,
dass ihre Königin sich im Sachsenwald versteckt. Wir brauchen mehr
Information über sie. In der Zwischenzeit sollten wir die Bürger
dazu anhalten, den Rasenmähern aus dem Weg zu gehen und alles zu
melden, was über das übliche Maß derer Tätigkeit hinausgeht. Was
ist, wenn sie für eine ausserirdische Macht spionieren und das Mähen
von Rasen nur eine vorgeschobene Aktivität ist?”
Und
so geschah es:
Lautsprecherwagen
der Polizei fuhren durch die Straßen und wiesen Bürger an,
Invasoren aus dem Weg zu gehen. Internationale Experten wurden
eingeflogen, die helfen sollten, einen Kontakt mit ihrer Königin
herzustellen.
Kann
der Status Quo gehalten werden?
Ist
Rasenmähen der wirkliche Grund der Invasion?
Gibt
es verborgene Absichten?
Wenn
ja, welche?
Wir
werden darüber berichten, so lange es uns möglich ist. Bleiben Sie
auf Empfang.