Das
Land, auf dem sich Getreide wie ein hellgelbes Meer zu beiden Seiten
der Highway ausdehnte, lag unter gleissendem Sonnenschein. Claire
achtete nicht darauf. Eine Last fiel von ihr ab, als sie die
schnurgerade Strasse entlang fuhr. September. Claire und ihr
Van, der Van und Claire, es kam ihr vor, als rolle der Wagen über
eine Landkarte, auf der Interstate 70 von Kansas, über Missouri,
nach Illinois, begleitet von riesigen Mähdreschern, die gedroschenen
Weizen in Laster pusteten. Diese Ebenen, unendliche Weite, die am
Horizont mit dem Himmel verschmolz, ein Gefühl der Freiheit, das sie
als Kind gekannt und und sich in ihre Erinnerungen eingenistet
hatte.. Ein weiter Weg von Topeka nach New York, von Überdruss und
Eintönigkeit zu einem neuen Leben.
Abend
in Effingham, Illinois. Claire suchte ein Motel und checkte ein. Müde
ließ sie sich aufs Bett fallen. Vor einem Jahr hatte sich Stacy,
ihre Freundin, auf das gleiche Wagnis eingelassen.
Morgen,
Claire fuhr, über Indiana, Ohio, Washington, Pennsylvania, New
Jersey Richtung New York. Je näher sie der Stadt kam, desto dunkler
wurde der Himmel. Gewitterwolken zogen sich zusammen, Furcht kroch in
ihr hoch. Sie dachte an Stacy und ihre letzten E-Mails, an den Mann
aus Vermont, in den sich ihre Freundin verliebt hatte, mit dem sie
nach Vermont in die Ferien gefahren war. Leaves are turning, hatte
sie geschrieben. Danach waren von Stacy keine Mitteilungen mehr
gekommen. Als Claire ihren Wagen vor einer Singles Bar im New Yorker
Greenwich Village parkte, regnete es in Strömen und ihre Stimmung
war auf dem Nullpunkt.
“Erinnern
Sie sich an Stacy?”, fragte sie den Mann hinter der Bar. “Hat vor
einem Jahr hier gearbeitet.”
“Und
ob,” meinte der und putzte seine Gläser. “Kellnerte vorher bei
Bennigan’s in Topeka, richtig? Du siehst ihr übrigens ähnlich.”
“Ist
meine beste Freundin. Wir kommen beide aus dem Weizengürtel. Machte
uns kräftig.” Sie lachte verlegen. “Wo ist sie jetzt?”
“Keine
Ahnung.” Der Barman stellte die Gläser der Reihe nach ins Regal.
“Sie wollte unbedingt eine Woche Ferien machen. In Vermont, sagte
sie. Dann haben wir sie nicht mehr gesehen.”
Claires
Schopf, blond wie Kansas Weizenfelder, Augen, blau wie der Himmel
darüber, das frische, rosige Gesicht, die robuste Figur im weissem
T-Shirt, mit verblichenen Jeans und Tennisschuhen. Sie trat von einem
Bein aufs andere.
“Ich
war auch bei Bennigan’s. Wie wärs mit einem Job? Möchte mal ohne
grüne Schürze arbeiten.”
Einige
Tage übernachtete sie in einem Motel, dann fand Claire Anschluss an
eine Wohngemeinschaft. Sie gewöhnte sich schnell daran lange zu
schlafen, im Central Park zu joggen, ins Kino zu gehen, und am Abend
jonglierte sie Tabletts mit Biergläsern. Greenwich Village,
Künstlerviertel, zwischen Broadway und der Vierzehnten Strasse. In
der Bar ein buntes Völkchen: angehende Maler, Schriftsteller, Profis
und junge Männer von der Wall Street.
Einer
von ihnen, Mark, zeigte Interesse. Er war athletisch gebaut, hatte
dunkle, kurzgeschnittene Haare, ein kantiges Gesicht, den Blick aus
blauen Augen, der jedes Mal auf Claire ruhte, wenn sie vorbei kam,
und es gefiel ihr. Ihre Wangen röteten sich.
“Du
erinnerst mich an jemanden,” meinte er, als sie ein neues Bier
abstellte.
“An
wen?”, fragte sie.
“Weiß
nicht mehr, wie sie hiess. Kommst du aus Topeka?”
“Fayettville,”
log sie.
“Ich
habe drei Wochen Ferien. Eine Woche bleib ich hier, dann fahr ich
nach Vermont, wie jedes Jahr. Zusehen, wenn die Blätter die Farbe
wechseln.”
“Muss
schön sein,” meinte sie und nahm die leeren Biergläser mit.
“Wie
wäre es, wenn ich dir die Stadt zeigte?” fragte er später.
Die
nächsten Tage rasten an Claire vorbei. Er holte sie ab, dann blieb
sie bei ihm. Hatte sie sich in Mark verliebt? Er war gut im Bett und
wusste viel zu erzählen, hörte aufmerksam zu, ließ sie spüren,
dass das, was sie sagte, von Bedeutung war. Hand in Hand gingen sie
im Central Park spazieren, besuchten das Guggenheim Museum, das
neueröffnete Museum of Sex, Museum of Modern Art, und Claire fand
heraus, Kultur öffnete ein neues Fenster in ihr.
Den
letzten Tag verbrachten sie in Coney Island, nun, in dem, was von dem
Vergnügungspark übrig geblieben war. Sie ließen sich vom Riesenrad
in die Lüfte tragen. Es hielt einen Moment, und Claire blickte auf
das Meer, auf seine Schaumkronen, dann zu Mark. Er sah sie an und
lächelte. Sie versuchte seinem Blick nicht auszuweichen. War er es,
mit dem Stacy nach Vermont gefahren war? Wieso hatte sie sich nicht
mehr gemeldet? Hatte er Stacy…, würde er auch sie fragen, ob sie
mit nach Vermont kommen wolle? Alles wehrte sich in ihr, den Gedanken
fortzuspinnen, sie merkte, wie sich ihr Körper vor Angst versteifte.
Die
Gondeln bewegten sich wieder, und als sie später die Freak Show mit
der Schlangenfrau, dem Feuerschlucker und dem bebilderten Mann
besuchten, dessen Tätowierungen keine sichtbare Stelle seines
Körpers aussparten, hatte sie ihre Gedanken wieder unter Kontrolle.
“Illustrated
Man. Kennst du die Story von Ray Bradbury?”, fragte Mark.
“Nie
was von ihm gelesen,” antwortete Claire. Wer war das? Wieso war es
ihr unangenehm, ihn nicht zu kennen? In Topeka hatte sie so viel
Spass gehabt. Bier, Tanz, ein Quickie im Auto oder auf dem Parkplatz,
ohne dass sie jemals ein Buch angefasst hatte. Doch dies war mehr,
und als Mark fragte, ob sie mit ihm nach Vermont fahren wolle, zog
sich ihr vor Erregung die Kehle zusammen, als sie ja sagte. Sie war
es Stacy schuldig.
Claire
sagte in der Bar Bescheid. Eric, der Barman blickte sie prüfend an.
“Denke
an Stacy. Pass gut auf dich auf,” sagte er zum Abschied.
Sie
verbrachte die Nacht in ihrem eigenen Zimmer und packte. Als Mark am
nächsten Morgen vor der Haustür stand, griff er nach ihrer Tasche
und warf sie auf den Rücksitz des Pontiacs, neben sein Gepäck.
Clair setzte sich neben ihn, wunderte sich einen flüchtigen
Augenblick, warum das Gepäck nicht im Kofferraum verstaut wurde,
dann waren sie auf dem Weg.
“Wir
nehmen die Küstenstrasse. Auch am Atlantik ist es schön um diese
Jahreszeit. Die Wälder bekommen wir noch früh genug zu sehen.
Vermont ist der einzige Staat in New England, der nicht an der Küste
liegt.” Sie fuhren über die Whitestone Bridge und nahmen die 95 in
nördlicher Richtung.
“Ich
schlage vor, wir essen was in Stamford und übernachten in Cape Cod.”
“Wie
du meinst,” antwortete Claire und lehnte sich in den Sitz zurück.
Mark redete nicht viel, ließ hin und wieder eine belanglose
Bemerkung fallen und Claire wurde von Müdigkeit übermannt.
“Wir
sind da.” Mark rüttelte ihre Schulter. Der Wagen stand vor einem
Steak House.
“Vermont
ist ein Hort von Traditionen.” Mark zog die Folie von der
Kartoffel. “Von antiken Traditionen, wie zum Beispiel der Lotterie.
Jedes Jahr wurde sie in den Dörfern gespielt, um eine gute Ernte zu
erbitten.”
Ihr
Steak war well done. Mark mochte es blutig. Claire wollte nicht
unhöflich sein. Sie war dazu erzogen worden, sich auch den grössten
Unsinn mit interessiertem Gesicht anzuhören.
“Was
hat es damit auf sich?”
“Shirley
Jackson hat die Lotterie in einer Geschichte verewigt. Kennst du
sie?”
Mark
hatte sich vorgebeugt, sah sie abschätzend an. Claire war, als
schwinge etwas Undefinierbares, Drohendes in der Frage mit.
“Ich
meine die Geschichte. Shirley Jackson ist schon lange tot,”
präzisierte er.
“Nein.
Nie gehört.”
Mark
lehnte sich zurück.
“Heute
Abend werde ich dir daraus vorlesen,” meinte er nur.
Nebel
auf Cape Cod, das wie ein gekrümmter Zeigefinger in den Atlantik
ragte. Sie fuhren an kleinen hölzernen Kabinen vorbei bis an den
Ausläufer und gingen am Strand spazieren. Hin und wieder kam die
Sonne durch. Claire fröstelte und knöpfte ihre Jacke zu. Einige
Männer hatten ihre Angelruten in den Sand gesteckt. Die Schnüre
spannten sich ins Meer hinein.
Als
sie sich nach dem Abendessen im Motel auszogen, fiel Claire zum
ersten Mal der Schlüssel auf, den Mark um den Hals trug.
“Muss
meine E-Mail checken,” murmelte er. Claire grinste, als sie sah,
wie er nackt vor seinem Computer saß. Später zog er seine Kette vom
Hals, trat an seine Tasche und schloss sie auf. Er zog ein Buch
daraus hervor. Während er die Kette auf den Nachtisch legte, sah er
sie aus halb geschlossenen Augen an.
“Claire,
ich lese dir einen Teil aus der Lotterie vor, von der ich gesprochen
habe.”
Er
legte sich hin und begann. Claire ließ sich in die Kissen fallen.
Himmel, eine Geschichte! Es war schon zwanzig Jahre her, dass ihre
Mutter am Bett saß, um ihr Märchen vorzulesen. Sie hatte sich was
anderes vorgestellt und hörte nur halb hin. Hörte, dass einige
Jungen Steine aufsammelten und auf einen Haufen legten, dass die
Männer ihnen zu sahen und sich über Traktoren, die Ernte und das
Wetter unterhielten. Was sollte das?, dachte Claire. Machen sie in
Kansas doch auch. Doch dann kamen der Kohlenhändler Mr. Summers und
der Postmeister mit einem schwarzen Kasten auf den Dorfplatz und
Claire horchte auf. Mark las die Geschichte vor, als kenne er sie
auswendig. Wie oft? Wie vielen hatte er sie schon vorgelesen? Auch
Stacy? Im Bett? Warum? Pass gut auf dich auf, hatte Eric, der Mann
hinter der Bar gesagt. Was hatte es mit der Geschichte auf sich? Gab
es eine Verbindung zwischen der Geschichte und Stacys Verschwinden?
Claire spürte, wie sich alles in ihr verkrampfte. Ihr Herz schlug
schneller. Sie nahm sich vor, nicht einzuschlafen, obwohl Marks
Stimme dazu Anlass gab.
Claire
bekam noch mit, dass alle Haushaltsvorstände, Männer meist, auf dem
Dorfplatz standen und Lose zogen, in alphabetischer Reihenfolge ihres
Namens.
Sie
hielten sie hinter ihrem Rücken, kleine, weiße zusammengefaltete
Zettel, bis auf eines, auf dem ein schwarzer Punkt war, dann fielen
ihr die Augen zu.
Sie
wachte auf, als sie die Küsse Marks auf ihrem Körper spürte und
streckte die Arme nach ihm aus.
“Entschuldige,
ich war eingeschlafen. Wer hat das Los gezogen?,” fragte sie am
Morgen, als sie sich anzog.
“Bill
Hutchinson.”
“Kenne
ich ihn?”, grinste Claire.
Anscheinend
fand Mark es nicht witzig. Sein Mund zog sich zu einem schmalen
Strich zusammen.
“Du
hättest aufpassen sollen,” entgegneter er bissig. “Gerade das
Drumherum macht den Reiz der Geschichte aus. Abgesehen von dem Ende
natürlich.”
“Wie
ist das?” Claire band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen.
“Sag
ich nicht. Ich werde es dir zeigen.”
“Ich
freue mich schon darauf.” Claire sah, wie Marks Gesicht erstarrte.
Nach
dem Frühstück entfernten sie sich vom Atlantik, fuhren Richtung New
Hampshire. Auf der Highway war wenig Verkehr.
“Oh,
die sind hier liegen geblieben.”
Vor
ihnen lag ein Wagen auf der Standspur. Eine Frau und ein Mann kamen
hinter ihm hervor und winkten.
“Mark,
wollen wir die Leute nicht mitnehmen? Wir können unsere Taschen doch
in den Kofferraum packen.”
Mark
antwortete nicht. Sein Gesicht wurde wächsern, und Claire sah, wie
er den Gashebel auf das Bodenblech presste. Im letzten Moment
sprangen die Frau und der Mann zur Seite. Claire erschrak. Warum
hatte er nicht angehalten? Der Kofferraum! Enthielt der etwas, das
sie nicht sehen sollte?
In
Manchester aßen sie zu Mittag.
“Shirley
Jackson hat ‘Die Lotterie’ im Jahre 1948 geschrieben.” Marks
Augen glänzten fiebrig, als er sein Steak zerteilte. Blutig, wie
üblich. Und er fuhr fort:
“Nun,
ja,” sagte Mr. Summers nüchtern, “wir fangen besser an, damit
wir es hinter uns bringen. Fehlt jemand?”
“Dunbar,”
sagten mehrere Leute. “Dunbar. Dunbar.”
Mr.
Summers sah auf seine Liste. “Clyde Dunbar,” sagte er. “Richtig.
Er hat ein Bein gebrochen, nicht wahr? Wer zieht für ihn?”
“Das
bin wohl ich,” sagte eine Frau und Mr. Summers drehte sich zu ihr
hin. “Frau zieht für Ehemann.”
Mark
sah auf Claire. “Das ist es, wo du hättest aufpassen sollen. Wie
kannst du jemals das Ende der Geschichte würdigen, wenn du denn Weg
dahin nicht kennst.”
Als
Claire ihn ansah, verbannte sie jeden Ausdruck aus ihren Augen. Er
kennt die verdammte Story auswendig, dachte sie. Als ob sie sich
dafür interessierte. Und doch, als sie Marks verkniffenes Gesicht
sah, wie er sie zornig musterte, wünschte sie, sie hätte etwas mehr
Zeit für sich, etwas Abstand, und sie könnte noch einmal überlegen,
ob sie mit ihm weiterfahren sollte. Auf was hatte sie sich da
eingelassen? Dann dachte sie an Stacy.
Mark
nahm die Interstate 99 Richtung Vermont. Am Abend fanden sie in
Waterbury ein Motel. Sie aßen einen Hamburger und die Prozedur vom
Vorabend wiederholte sich: Mark saß mit dem Buch an ihrer Seite und
las vor.
“Plötzlich
schrie Tessa Hutchinson Mr. Summers an: “Du hast ihm nicht Zeit
genug gegeben sich das Los auszusuchen, das er wollte. Ich habe dich
beobachtet. Es ist nicht fair!””
Claire
horchte auf. Wieso freute sich Hutchinsons Frau nicht, als sie hörte,
ihr Mann habe das richtige Los gezogen?
Mark
las weiter. Claire hörte, wie Tessa Hutchinson protestierte, meinte,
die Auslosung sei ungültig, man müsse noch mal von vorn anfangen.
Doch nun ließ sich der Postmeister die fünf Lose von der Hutchinson
Familie aushändigen, darunter das mit dem Punkt darauf und warf sie
in den Kasten zurück.
Claire
hielt den Atem an, als Mark weiter las. Sie erfuhr, dass jeder der
Familie Hutchinson ein Los zog und zusammengefaltet hinter dem Rücken
verbarg.
““Nun
denn,” sagte Mr. Summers. “Macht die Lose auf. Harry,” wandte
er sich an den Postmeister, “du öffnest das von dem kleinen Dave.”
Der
Postmeister öffnete das Los, und ein Aufatmen ging durch die Menge,
als er ihr den leeren Zettel zeigte.”
Claire
fieberte mit den Leuten aus der Geschichte. Wer war es?
“Es
ist Tessie,” sagte Mr. Summers.
Mark
schlug das Buch zu, kletterte aus dem Bett und legte das Buch in die
Tasche zurück. Er verschloss die Tasche, zog den Schlüssel ab und
hängte sich die Kette um den Hals.
“Wie
geht es weiter?” fragte Claire. Mark antwortete nicht, packte
seinen Laptop aus und schloss ihn an.
“Was
machen sie mit der Tessie?”
“Das
wirst du morgen erfahren.” Es sah genau so komisch aus, wie am Tag
zuvor, als er wieder nackt an einem kleinen Tisch saß und seine
e-mails durchsah. Diesmal war Claire nicht zum Lachen zumute. Was
wurde aus der Tessie? Plötzlich fror sie und begann zu zittern. Hat
Stacy auch ein Los gezogen, ohne dass sie es wusste? Das Los, mit
Mark nach Vermont zu fahren? Und sie, Claire?
Mark
schaltete den Computer aus und verschwand im Bad. Claire hörte das
Rauschen der Dusche und sprang aus dem Bett. Sie schaltete den Laptop
ein, wartete ängstlich, dass er hochfuhr und loggte sich ins
Internet. Nervös fuhr sie mit der Maus über den Schirm und startete
das Suchprogramm, tippte ‘Shirley Jackson’, klickte erneut und
‘Die Lotterie’ erschien auf dem Monitor. Hastig blätterte sie
zum Ende der Geschichte. Das Blut gefror ihr in den Adern. Wie
versteinert saß sie vor dem Bildschirm. Dann hörte sie es
quietschen, als im Bad das Wasser abgedreht wurde. Hastig schaltete
sie den Computer aus und ließ sich aufs Bett fallen.
Als
Mark sie mit Küssen bedeckte, bebte sie vor Angst und Wut. Eine Flut
aus Emotionen stürmte auf sie ein. Sie konnte es nicht fassen, wie
war er ihr jetzt zuwider. Zitternd ließ sie geschehen, dass er sie
nahm, Lust vortäuschend, die nicht mehr vorhanden war.
Sie
frühstückten, danach fuhr Mark mit Claire in die Wälder. Noch eine
Stunde brauchten sie, in der sich die Farbenpracht der Ahornbäume
vor ihren Augen entfaltete, bevor der Wagen von der Strasse abbog,
eine kleine Schneise entlang-fuhr und hielt.
“Hier
ist der schönste Fleck von Vermont. Wir sind gleich da.” Claire
verkrampfte sich, als Mark die Tür aufhielt und sie am Arm aus dem
Wagen zog und mit ihr tiefer in den Wald ging. Es musste längere
Zeit geregnet haben, feuchte Blätter lagen auf der Erde und wurden
von ihren Schuhen weitergetragen. Sie traten in eine kleine, von
hohen Ahornbäumen umgebene Lichtung. Gelbe, organgefarbene, rote und
dunkelrote Blätter. Fanale. Die Lichtung war von ihnen bedeckt, kaum
dass die kleinen Erdhügel zu erkennen waren, die einen
unterbrochenen Kreis bildeten. Kleine Kreuze aus Ästen, die auf den
Hügeln steckten, hoben sich nur schwach gegen das Gelb und Rot der
Blätter ab. Dann sah Claire Steine, die zu einem Haufen
aufgeschichtet waren. Dahinter lugten in dem Kreis der kleinen
Erdhaufen unter Blättern ein paar lange Bretter hervor, die ein Loch
nur dürftig bedeckten.
“Claire,”
sagte Mark und lächelte sanft. “Hier endet die Geschichte. Dreh
dich mal um. Sind die Bäume dort nicht prächtig? Claire wandte sich
zur Seite, sah aus den Augenwinkeln, wie Mark auf den Haufen Steine
zu ging und einen von ihnen in die Hand nahm. Sie sprang auf ihn zu,
rammte ihn. Den Bruchteil einer Sekunde sah sie seinen ungläubigen
Blick, als er sich um sich selbst drehte, bevor er über die Steine
stolperte und durch die morschen Bretter fiel.
Er
lag auf dem Rücken und bewegte sich nicht. Wie erstarrt stand sie
dort und blickte auf ihn hinab, während die Tränen über ihre
Wangen rollten.
‘Tessi
Hutchinson stand in der Mitte des freigemachten Platzes. Verzweifelt
streckte sie den Dörflern, die mit den Steinen auf sie zu liefen,
die Hände entgegen. “Es ist nicht fair,” sagte sie. Ein Stein
traf sie an der Schläfe. Der alte Warner sagte, “Nun macht schon,
jeder von euch.” Steve Adams war der erste in der Menge. Frau
Graves an seiner Seite.
“Es
ist nicht fair, es ist nicht richtig,” schrie Frau Hutchinson, und
dann fielen sie über sie her.’
Claire
lief schluchzend zum Wagen zurück, sah, dass der Schlüssel im
Schloss steckte. Er würde wieder zu sich kommen. Weg! Schnell weg!,
schrie es in ihr. Der Kofferraum! Warum hatten sie ihn nicht benutzt?
Sie zog den Schlüssel ab und öffnete ihn, sah eine Schaufel und ein
Kreuz aus zwei Ästen. Wut breitete sich in ihr aus, als sie an
Stacy, an die angehäufte Erde mit den Kreuzen dachte. Sie griff nach
Schaufel und Ästen, lief zurück. Zwei Arme ragten hervor und
klammerten sich an eine Baumwurzel, dann sah Claire, wie Marks Kopf
langsam aus dem Loch herauskam und schlug mit der Schaufel zu.
Tränen
liefen über ihr Gesicht, als sie das Loch mit Erde füllte und das
Kreuz aus Ästen auf den neuen Erdhaufen setzte, und sie hörte auch
nicht auf zu weinen, als sie davon fuhr.
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