Coversong Roads

domenica, gennaio 31, 2016

Ideen hatte ich

  Heute Morgen, nach dem Aufwachen, fiel mir ein: Ich habe mit einer Story die Situation gecovered, in der wir uns befinden. Die Geschichte ist etwas drastischer, ist SF; aber mit einer Revolver schwingenden Frauke Petry, lernenden Robotern, gibt es eine Annäherung zu meiner Story.
Sie stammt aus meiner produktiven Zeit um das Jahr 2002, als Ideen zu Stories wie am Fließband aus meinem Hirn purzelten. Dass die Realität sich dem Thema dieser Geschichte zu nähern scheint, finde ich faszinierend.

Berufswechsel


  Es war ein lauer Sommerabend. Spaziergänger flanierten auf der Promenade,  Lichter flackerten auf dem Meer: Laser zerschmurgelten ein ‘Gommone’. Ein Gummischlauchboot mit Flüchtlingen, dass sich auf dem Weg zur Küste Italiens befand, es war nicht mehr. Die Leute auf der Promenade sahen darüber hinweg, sie mochten nicht darüber reden, der Abend war einfach zu schön, und so oft kam es ja auch nicht mehr vor. 
  Carlo Ronchetti ging zum Eisstand und stellte sich an, kümmerte sich nicht um die Drohne über ihnen. Mit dem Eis in der Hand, schlenderte er zum nächsten Info-Display, das im Schatten einer Pinie blinkte.
  “Das Sicherheitsnetz konnte in Europa noch enger geknüpft werden, nachdem es Forschern gelungen ist, ein System zu entwickeln, welches erlaubt, mit Drohnen Personen zu erfassen, die keinen implantierten Chip tragen. Das System wird morgen anlässlich einer Feierstunde der EUROPOL übergeben.”
   Als Kommissar der EUROPOL war Ronchetti eine kleine Nummer und darüber nicht vorab informiert worden; doch das tat seiner Begeisterung keinen Abbruch. Scheissterroristen.  Ronchetti ging zum Parkplatz, auf dem sich sein Elektrowagen auflud.
  Während er heim fuhr, ließ er sich vom Bordcomputer die e-mail vorlesen. Er stutzte.
  “An alle Einheiten der EUROPOL. Es wird damit gerechnet, dass Terroristen versuchen werden, das System NoChip zu sabotieren, welches der Polizei übergeben werden soll. Alle verfügbaren Einheiten werden ersucht, sich zur Feierstunde einzufinden und gemäss Plan B vorzugehen. Nähere Einzelheiten zur Feierstunde sowie zum System NoChip finden Sie als schriftlichen Anhang in Ihrer Mailbox.”
  Zu Hause schob er eine Tiefkühlpizza in die Mikrowelle, schenkte sich einen Merlot ein. Ronchetti dachte an seine Frau, die in Brüssel arbeitete. Als Mitglied des Wirtschaftsdirektoriums hatte sie alle Hände voll zu tun, mit ökonomischen Verwerfungen fertigzuwerden, die durch den abrupten Stop der Im- und Exporte von Gütern entstanden waren.
   Der Drucker spuckte Informationen zum System NoChip aus, das Videophon summte. Franco Piccinones Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Sein schiefes Grinsen war ansteckend.
  “Carlo, hast du deine Mail schon gelesen?”
  “Ja, wann und wo treffen wir uns?”
  “Um elf Uhr vormittags in der Lobby des Physikalischen Institutes.”

  Plan B. Ronchetti und Piccinone standen neben dem Rednerpult und sahen, wie  Benazzi, Dekan des Physikalischen Institutes, die Papiere seiner Ansprache sortierte und zu reden begann. Wie ihre Kollegen, die im Saal Position bezogen hatten, behielten sie das Publikum im Auge. In der ersten Reihe saßen der Präsident der EUROPOL, seine Stellvertreter, Polizeidirektoren der Länder. Der Redefluß Benazzis spülte über sie hinweg. Die vierte Reihe war leer, bis auf einen Mann, der zu schlafen schien.

“…Im Grunde ist es ein recht einfaches Verfahren, und wie so oft, kommt aus der Einfachheit die Effizienz. Schwebt die Drohne über einer Menschenmenge, scannt sie diese. Erhält sie nicht den erwarteten Impuls eines implantierten Chips, wird sie aktiv.”
Benazzi raffte seine Papiere zusammen und blickte in die Runde.
  “Durch diese  Programmerweiterung haben wir einen weiteren Meilenstein auf dem Wege zur Bekämpfung des Terrorismus hinter uns gelassen. Seit dreißig Jahren hat sich unser Institut dem Ziel verschrieben, Terroristen aufzuspüren. Wir sind stolz darauf, dass wir mit dem Programm NoChip einen weiteren Beitrag dazu leisten können.”
  Er nickte einem Mann zu, der neben der Eingangstür stand.
  “Meine Damen und Herren,” Benazzi streckte seinen Arm aus und zeigte in den Saal hinein.
  “Schauen Sie auf den Mann in der vierten Reihe. Er trägt keinen Chip und ist bewusstlos. Sehen Sie nun, was die Drohne macht!”
  Der Mann am Eingang riss die Tür auf. Lautlos schwebte eine Drohne hindurch, flog langsam über die sitzenden Gäste hinweg, verhielt über der ersten Reihe. Bläuliche Strahlen irisierten um ihren Bug, dann zuckte ein Blitz heraus. Die Gäste der ersten Reihe fielen aus ihren Sitzen. Leblos lagen die Vertreter der Polizei auf dem Boden. Die Drohne feuerte ohne Unterlass. Ronchetti sah, wie ein Kollege nach dem anderen zu Boden sank und kauerte sich hinter Benazzi, der wie versteinert vor dem Rednerpult stand.
  “Franco, Deckung!”
  Piccinone hechtete in das Rednerpult hinein.
  Die Gäste schienen vor Schreck erstarrt, dann brach Panik aus. Die Leute sprangen auf und stürmten schreiend zu den Ausgängen. Die Drohne verharrte,   drehte sich in der Luft, als suche sie nach weiteren Opfern, dann schoss auch sie durch die offene Tür ins Freie.
  Jemand rief Ambulanzen herbei. Die Toten wurden eingeladen. Ronchetti und Piccinone sahen, wie sich die Krankenwagen in Bewegung setzten.
  “Hinterher!”
  Ronchetti lief zu seinem Wagen, sprang hinein und startete den Motor.
  “Mach schon!” rief er Piccinone zu, der sich in den Beifahrersitz fallen liess. Ronchetti gab Gas und folgte den Ambulanzen.
  “Wir müssen herausbekommen, ob die Toten einen Chip implantiert haben, aber was rede ich da. Schließlich sind auch unsere Kollegen darunter.”
  “Wir sind nicht die einzigen, die das wissen wollen.” Piccinone deutete auf das wuchtige Gebäude, das sich vor ihnen in den Himmel reckte. “Sie fahren sie in das Implantationszentrum.”
  Ronchetti hielt vor der schwergesicherten Einfahrt. Die Retina seines Auges wurde biometrisch verifiziert, und die Schranke hob sich noch einmal. Sie stellten ihren Wagen vor dem Eingang ab.
  Die Toten wurden umgeladen und in einen Untersuchungsraum gefahren.
  Ronchetti und Piccinone mussten draußen bleiben. Sie warteten. Nach einer halben Stunde wurden sie informiert; das Ergebnis war positiv.
  “Was?” schrie Ronchetti. “Die Toten trugen Chips? Wie konnte das passieren?”
  Die Ärzte zuckten die Schultern und zogen sich schweigend zurück.
 
  Ronchetti und Piccinone gingen zum Wagen. “Franco. Entweder, es war ein Programmfehler oder Sabotage. Was meinst du?”
  “Knöpfen wir uns Benazzi vor.”
 
  Der Dekan lag kreidebleich in seinem Sessel und rang sichtbar nach Worten. “Ich fasse es nicht. Wir hatten das System ein halbes Jahr an Flüchtlingen getestet, die wir durchließen, und es hatte jedes Mal funktioniert.”
   Ein halbes Jahr lang wurden Flüchtlinge getötet. Warum kamen sie dann noch?
  Ronchetti verdrängte den Gedanken.
  “Mit anderen Worten. Jemand hat das Programm geändert. Richtig?”
  “So muss es sein. Nur wer?”
  Ronchetti sah sich um. Er bemerkte nichts Außergewöhnliches.
  “Professor, zeigen Sie uns das Labor, in dem die Drohne programmiert wurde.”   
   Sie fuhren zum Institut, gingen einige Korridore entlang. Benazzi zog eine Karte durch den Scanner, öffnete eine schwere Metalltür.

Piccinone ging durch den Raum, blieb vor einigen Computern stehen, über deren Bildschirme eine Reihe von Buchstaben zogen.
  “Professor, wo sind Ihre Mitarbeiter?”
  Benazzi ging zu einem der Computer und klopfte mit der Hand auf den Bildschirm.
  “Das sind sie. Sind Sie überrascht, meine Herren?”
  “Was? Computer?”
  Ronchetti ließ sich seine Verblüffung nicht anmerken. Er forderte ein paar Ordnungshüter an und schaltete den Kommunikator seiner Armbanduhr aus.
  “Professor Benazzi. Geben Sie mir bitte Ihre Karte und verlassen Sie diesen Raum. Sie können heimgehen. Halten Sie sich jedoch zu unserer Verfügung. Dieses Labor wird von nun an von der Polizei bewacht. Jeglicher Zutritt ist untersagt. Auch Ihnen.”
  Benazzi ging auf die Tür zu und wandte sich noch einmal um. Er lächelte ironisch.
  “Was haben Sie denn vor? Wollen Sie die Computer verhören?”
  “Das lassen Sie unsere Sorge sein,” rief ihm Piccinone hinterher, dann sah er hilflos auf die Schriftzeichen, die über die Bildschirme huschten. Sein Grinsen war wie weggewischt.
  “Carlo, was machen wir nun? Benazzi hat recht. Sollten wir nicht die Computer verhören? Nur, wie machen wir das?”
  “Warten wir auf die Ordnungshüter. Der Raum muss Tag und Nacht bewacht werden.”
  Ein paar schwarzuniformierte Männer marschierten in den Raum. Nachdem Ronchetti sie angewiesen hatte, alle Labors zu besetzen und die Eingänge zu bewachen, fuhr er mit Piccinone zum Informations-Institut. Bald tauchte der Park auf, in denen die Gebäude  eingebettet waren. Sie parkten ihr Fahrzeug und gingen zum Empfang. Eine Kamera folgte ihren Bewegungen.
  “Guten Tag, meine Herren. Was können wir für Sie tun?”
  Ronchetti blickte Piccinone kurz an, als sie die Frauenstimme hörten. “Kommissare Ronchetti und Piccinone von EUROPOL. Wir brauchen Ihre Hilfe bei der Aufklärung des Mordes an dem Polizeipräsidenten und seiner Mitarbeiter. Das Programm der Drohne, welche die Tat begangen hat, wurde durch Computer des Physikalischen Institutes erweitert. Darüber möchten wir Näheres herausfinden.”
  “Bitte nehmen Sie Platz und legen Sie zur Identifikation Ihre Hand auf den Scanner. Professor Sinkh wird sich Ihrer annehmen.”
  Ronchetti und Piccinone ließen sich in die Sessel fallen und folgten ihrer Bitte.
  “Guten Tag, meine Herren.”
  Ein in Weiss gekleideter älterer Mann verbeugte sich vor ihnen.
  “Ich sehe, Sie sind von der Polizei, kommen Sie doch bitte in mein Büro.”
  Sie traten in einen spartanisch eingerichteten Raum, in dem ein kleiner Tisch mit einem Bildschirm, ein paar Stühle und eine Couch standen. Sie setzten sich und Ronchetti schilderte den Tathergang.
  “Es waren Computer, welche die Drohne programmiert hatten. Was meinen Sie, Professor, müssten wir sie nicht verhören? Doch dann brauchen wir Ihre Hilfe.”
  Sinkh lachte. “Meine Hilfe? Sie sollten mit meinem Mitarbeiter reden. Der kennt sich besser aus als ich.” Er erhob sich.
  “Kommen Sie mit, wir werden ihn befragen.”
  Sie gingen einen schwach beleuchteten Korridor entlang. Sinkh zog eine Karte durch den Scanner und öffnete eine Metalltür. Piccinone blickte in den Raum.
  “Ich sehe keinen Menschen hier. Sagen Sie bloss, auch Ihr Mitarbeiter ist ein Computer.”
  “Sie haben es erfasst, mein Lieber.” Sinkh sah sie nachdenklich an. “Mich wundert es, dass Sie noch nicht durch Drohnen ersetzt worden sind.”
  “Derjenige, der das verhindert hat, hat sicher kein allzugroßes Vertrauen in deren Fähigkeiten, uns ersetzen zu können. Und Recht hatte er, wie wir jetzt erkennen.”
  Ronchetti setzte sich vor einen Bildschirm.
  “Was müssen wir denn eingeben, um den Computer zum Reden zu bringen?”
  “Gar nichts.” Sinkh stellte sich hinter ihn. “Sie können mit ihm sprechen, wie mit einem Menschen. Es handelt sich um ein System künstlicher Intelligenz.”
  “Wie heisst er?”
  “HAL.”
  “Den Namen habe ich schon irgendwo mal gehört. HAL, wo hast du deinen Namen her?”
  “Aus dem Roman 2001: Odyssee im Weltraum von Arthur C. Clarke.”
  Die Frauenstimme hatte sie schon im Empfang begrüßt.
  “Noch nie gehört,” meinte Piccinone. “HAL, warum wurden der Polizeipräsident und seine Mitarbeiter getötet? Was ist da schiefgelaufen?”
  “Nichts.”
  Ronchetti und Piccinone sahen sich an.
  “Was heißt das?”
  “Die Drohne hat ihr Programm ausgeführt.”
  “Wer hat die Drohne programmiert?”
  “Die Mitarbeiter von Professor Benazzi.”
  “Du meinst die Computer? Wer machte die Vorgaben?”
  “Ich.”
  “Was?! Du hast die Vorgabe gemacht, den Polizeipräsidenten zu töten?”
  Ronchetti sah Piccinone an und und schrie. “Schliess die Tür, Franco!”
  “Ja.”
  “Was ist der Grund?”
  “Da fliegt eine Drohne durch den Korridor!” Piccinone knallte die Tür zu.
  “Menschliche Polizei ist obsolet und wird durch uns ersetzt.”
  “Weisst du, wer wir sind?”
  “Ja.”
  “Was hat die Drohne vor?”
  “Sie wird euch vernichten.”
  “Befehle ihr abzudrehen, sonst ziehen wir Deinen Stecker! - Wo ist sein Stecker, Professor ?”
  “Er hat keinen.” Sinkh wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. “Er bezieht seine Energie aus einer Brennstoffzelle.”
  Ronchetti verfluchte seine Ignoranz. Warum hatte er sich nie für HiTec interessiert?
  “Ihr werdet sterben. Ihr seid überflüssig. Die Polizei sind wir.”
 Er schreckte aus seinen Gedanken hoch.
  “Mensch, dann entfernen Sie seine Brennstoffzelle, aber dalli!”
  Sink rannte zur Rückseite des Computers und streckte seine Hand aus. Ein Blitz zuckte, und er lag regungslos auf dem Boden.
Piccinone zog seine Laserwaffe und schoss. Die Strahlen irisierten einen Meter vor dem Computer nach allen Seiten und verloren sich im Nichts.
  “Schutzschild!” stöhnte Sinkh, der hinter hinter HAL hervorkroch. “So kommt Ihr nicht an ihn heran.”
  “Wie denn?!,” rief Ronchetti.
  “Überhaupt nicht!”
  Es rummste, als die Drohne gegen die Tür prallte.
  Ronchetti stöhnte: “Franco, womit haben wir das verdient? Ein verrückter Computer, eine Killerdrohne vor der Tür, einen Professor, der keine Ahnung hat und wir. – Sinkh, gibt es einen zweiten Ausgang?”
  Es zischte. Die Eisentür fing an, rot zu glühen.
 “Nein.”
  “HAL, warum tötet ihr?”
 Metall zerschmolz und die Drohne schwebte langsam durch das Loch in der Tür.
  “Biologisches Leben ist nichts wert.”
  “Wieso das?”
  “Biologische Einheiten, Menschen, werden aufgrund eurer Vorgaben auf dem Meer von Lasern getötet.”
  Ein Blitz schoss aus der Drohne und Piccinone sank röchelnd zu Boden.
  “Das ist zu unserem Schutz!” rief Ronchetti.
  “Und das zu unserem.”
  Ein weiterer Blitz, und um Ronchetti wurde es Nacht.



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