Minutennovelle: Brüllaffen

 

Sieben-Tagestour. Endlich Urlaub. Letzte Station war Paris. Nun war die chinesische Reisegruppe in Berlin eingetroffen, speiste im Flughafenrestaurant. Ein Herr Wang setzte sich zu ihr und legte die Zeit für die Besichtigungsfahrt fest.

Eine Viertelstunde später saßen sie in einem alten, miefigen Bus, der die Straße entlang tuckerte. Unter ihnen Herr Zaoh mit seiner Frau, die mit ihren in Paris gekauften Armbändern spielte. Der Bus war blau, hatte eine lange Kühlerhaube und ein langes Auspuffrohr. „Friede und Freundschaft“ stand auf den Seiten. Wang hatte das Fahrzeug aus alten DDR-Beständen angekauft.

Wang war Reiseführer. Der Fahrer Deutscher, wie Wang erzählte. Ein Mensch, nur in weiss.

Herr Zhao fand es himmlisch. Wenn er an Elektrobusse dachte, die in seiner Stadt fuhren. Endlich wieder so etwas, wie es früher war. Nostalgie pur.

Der Bus fuhr ein Stück Autobahn, bog dann ab.

„Da Sie nur einen Tag in Deutschland bleiben, will ich Sie mit einer Spezies bekannt machen, die sich in einigen deutschen Landesteilen ausbreitet. Brüllaffen. Vor allem im Osten dieses Landes heimisch,“ fuhr Wang fort, „wandern sie in Rudeln von Ort zu Ort und brüllen. Ich versuche herauszufinden, wo sie sich gerade aufhalten.“

Wang zog eine Zeitung hervor, blätterte und sprach mit dem Fahrer. Der nickte und bog in eine andere Straße.

Sie fuhren in ein deutsches Dorf. Die Reisegruppe erblickte eine Kirche mit Friedhof, eine Gaststätte, Kopfsteinpflaster, einen Parkplatz, daneben eine Apotheke und einen weiteren Platz vor dem Rathaus, auf dem eine Gruppe von Individuen stand und einem brüllenden Mann zuhörte.

„Da sind sie,“ sprach Wang in sein Mikrofon. „Halten Sie mal,“ wies Wang den Fahrer an.

Fahrgäste quetschten sich auf die Bänke und drückten Nasen an den Scheiben des Busses platt.

„Brüllaffen?“, staunte Zhao. „Das sind Menschen.“

„Deutsche Brüllaffen“, erwiderte Mang. „Eine Spezies, die nur in diesen Gebieten heimisch ist.“

„Was brüllen die denn so?“

„Hören Sie selbst“. Die Affen gingen auf den Bus zu.

„Da sind ja auch Kinder, wie niedlich“, rief eine Frau.

„Ausländer raus! Ausländer raus! Ausländer raus!“

„Fahren wir weiter“, sagte Wang dem Fahrer.