Coversong Roads

lunedì, settembre 23, 2024

Kurzgeschichte: Kopflos


 

Warten wir ab, ob es sich mit Eurer Attention Span verträgt; denn diese Story ist länger. Ich durchsuche den Inhalt derer, die ich Anfang der 2000 er geschrieben habe auf Roboter, Androiden; denn es nähert sich der Zeitpunkt, zu dem sie aus der Science Fiction kommend in die Wirklichkeit morphen.

Wenn eine Idee hochkommt, die ich in einer Minutennovelle verbraten kann, werde ich es tun. Ansonsten gibt es für einige Sonntage Roboterstories.

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Einer jener lauen Sommerabende, an dem Davis die Polizeiarbeit hinter sich ließ und mit Marylin in die Stadt fuhr. Während Menschen sich griesgrämig gegenüber saßen, erhellte Marylin mit ihrer Präsenz das Abteil. Später schlenderten sie über die Dunbar Avenue. Passantentrauben bewegten sich von Bar zu Bar. Licht von Straßenlaternen fiel auf einen Androiden, der vor einem kleinen Tisch mit einem Hütchenspiel am Bordstein saß.

Ron, machst du nicht mit?“

Davis antwortete nicht. Die Ironie konnte sie sich schenken. Wer konnte als Mensch mithalten? Davis erinnerte sich an die unselige Schachpartie, in der Marylin ihn zerrupft hatte. Sie zog ihn zu einem Schaufenster.

Sie her. Eheringe.“ Der hundertste Wink mit dem Zaunpfahl. U-Bahnen rumpelten unter ihnen. Luft aus dem Schacht blies ihren Rock hoch. Marylin lachte, drehte sich. Davis konnte nicht anders. Er hastete mit ihr in eine Seitenstrasse, zog sie in den nächsten Hauseingang. Er stolperte, fiel auf etwas Weiches. Eine Tür öffnete sich. Zwei Frauen stiegen über ihn hinweg. Netzstrümpfe, lederne Miniröcke. Etwas klebte an seinen Händen.

Blut“. Marylin sah an ihm vorbei. „Ron, unter dir liegt jemand.“

Ein Mann. Davis tastete nach seiner Halsschlagader. Tot. Davis lief hinter den beiden Frauen her und sprach in seinen Kommunikator. Es dauerte eine Weile, bis er ihnen die Fingerabdrücke abgenommen hatte. Er ging zurück und sah nach oben. Ein Hotel. Marylin folgte seinem Blick und drückte sich an ihn.

Wolltest du mit mir da rein?“

Ein Fluggleiter setzte auf. Polizisten sprangen heraus, sperrten den Bürgersteig,, während Androiden von der Spurensicherung den Hoteleingang auf Abdrücke untersuchten.

Ihm wurde das Genick gebrochen. Sein Arm säuberlich abgetrennt.“

Womit?“

Sieht nach Laser aus. Der Mann ist seit einer Stunde tot.“

Der Android legte sein Gesicht in freundliche Falten.

Der Arm ist weg.“

Davis. Sollten sie der Frau nicht den Anblick ersparen ?“

Es berührt sie nicht weiter.“ Marylin drehte dem Arzt den Rücken zu und schob mit ihrer Hand die Haare über ihrem Nacken beiseite. Dioden ihrer Seriennummer leuchteten in zartem Rot.

Ich verstehe.“ Der Arzt lächelte. „Marylin, nicht wahr?“

Davis schickte sie nach Haus, als seine Leute von der Mordkommission eintrafen. Er ging mit den Kollegen in das Hotel, ließ sich das Register zeigen und befragte die Gäste.

Als Davis am nächsten Morgen im Büro das Register noch einmal studierte, kam nichts Neues zum Vorschein.

Miller. Fehlanzeige. Lassen Sie das Register zurückbringen. Frauen. Ich glaube nicht, dass die dem Mann das Genick gebrochen haben.“

Androiden?“

Nein, die Frauen im Hotel waren durch Fingerabdrücke identifizierbar.“ Davis legte die Beine auf den Tisch.

Was bleibt übrig? Weibliche, männliche Androiden oder Männer.“

Fingerabdrücke?“

Keine.“


Eine Busfahrt!“ hauchte Marylin. „Du bist so romantisch.“

Wieder breitete sich ein Abend über Dunbar aus. Sie stiegen ein und zwängten sich an zwei Männern vorbei, die auf der letzten Bank saßen. Einer von ihnen hielt einen Cello-Koffer gegen seinen Bauch geklemmt. Davis stand mit Marylin im Gang. Mit jedem Schaukeln des Busses ließ sie sich gegen ihn fallen.

Ausgemergelte Typen fuhren zur Nachtschicht, und Davis fragte sich, was an der Busfahrt romantisch sein sollte. Er sah durch das Fenster. Industriebrachen. Dampf aus Schornsteinen. Ein graues Monstrum kroch aus der Dunkelheit. Die Kühlschrankfabrik. Der Bus hielt. Der Mann mit dem Cello-Koffer verschwand hinter dem Fabriktor.

Nächste Haltestelle. Bustüren öffneten sich, eine Frau schrie. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf einen Mann, der auf der hinteren Sitzbank lag. Er war tot. Ihm fehlte ein Bein.

Der Bus blieb stehen. Der Fahrer rief die Zentrale. Polizeigleiter schwebten heran.

Wie machen Sie das, Boss, dass Sie immer gerade da sind, wo die Leichen liegen?“, staunte Miller, während sie beobachteten, wie die Androiden der Spurensicherung mit ihren Scannern über Fenster, Sitze und Haltestangen fuhren. Davis schickte Marylin heim und fuhr mit Miller und einem Kriminaltechniker zur Fabrik zurück.

Ein Mann mit einem Cello-Koffer?“ Der Befragte war jung und kniff die Augen zusammen, als dächte er nach. Schwarze Haare fielen ihm ins Gesicht. Er hieß Al und war Schichtführer.

Das kann nur Arnie sein.“ Wir üben zur Zeit „Sfogava alle Stelle“ von Giulio Caccini. Nach der Schicht, versteht sich. Ich spiele Querflöte. Liegt gegen ihn was vor?“

Nein. Wir möchten uns seinen Cello-Koffer ansehen.“

Bleche rollten auf einer Bandstraße heran, glitten an einem Mann vorbei, der ihnen seinen Rücken zugedreht hatte. Er trug eine Maske vor dem Gesicht. In monotoner Regelmäßigkeit schoss die Spritzpistole weißen Lack auf die Platten.

Warum arbeiten so viele Androiden?, werden Sie sich fragen.“ Al deutete mit dem Kopf zu den Arbeitern hinüber. „Einfache Maschinen könnten es genau so gut. Aber wir wollen helfen, Roboter von der Straße zu bekommen. Arnie zum Beispiel. Wir hatten unter Professor Klüpper Musik studiert. Dann stand er auf der Straße. Jetzt schneidet er Bleche zu.“

Sein Cello-Koffer?“

Steht im Aufenthaltsraum.“

Davis nickte dem Kriminaltechniker zu. Der kehrte nach ein paar Minuten zurück.

Kein Blut. Keine Körperzellen.“

Sie gingen in die Blechverarbeitung. Al zeigte auf einen vierschrötigen Mann. Rötlich leuchtende Seriennummer auf seinem Nacken. Blaue Strahlen schossen aus seiner Hand und fraßen sich durch das Blech. Die wuchtige Präsenz des Mannes, der stets die gleichen Bewegungen machte, beunruhigte Davis. Bevor das nächste Blech vom Band bereitgestellt wurde, drehte sich der kahlgeschorene Kopf über dem Stiernacken zu ihnen. Seine Augen glichen schwarzen Löchern.

Musik studiert, sagten Sie? Cello spielen ist doch sicher nicht einfach, oder?“ Der Mann fuhr mit seiner Arbeit fort.

Arnie sagte mir, es sei eines der schwierigsten Instrumente.“ Al lachte. „Natürlich denkt das jeder von seinem Instrument.“

Was können Sie mir noch über Arnie erzählen?“

Nicht viel. Denken fällt ihm schwer, und er weiß es. Das Kybernetische Institut hat ihm eine Reparatur angeboten, doch er lehnte ab. Arnie meinte, dann würde er nicht mehr so gut auf seinem Cello spielen können. Und er hat wohl recht. Sein Spiel ist genial. Er sagte mir einmal, wenn er Mensch wäre, spielte er jetzt in einem Orchester und brauchte keine Bleche zuschneiden. Ich tröstete ihn damit, dass ich als Mensch ebenfalls keinen Job im Orchester bekommen habe.“

Seine Meinung dazu?“

Dass ihn das nicht wundere. Querflötisten gäbe es wie Sand am Meer.“

Am Tag darauf gab es einen weiteren Toten. Ihm fehlte der Kopf. Davis stand am Fenster. Unter ihm dehnte sich der Platz der menschlichen Einsicht zu den grauen Türmen des Kybernetischen Instituts, die in tiefhängende Wolken ragten. Böen drückten Regen gegen Fenster. Ein Robotpolizist ging den Platz entlang. Gab es nicht die Geschichte von einem Zinnsoldaten, der vom Wasser fortgespült wurde? Davis Kinderfrau hatte um die tausend Fabeln und Märchen im Kopf gehabt.

Keine Fingerabdrücke, Ron.“ Miller sah von seiner Tastatur hoch. „Die vom Kybernetischen Institut haben auch nicht weiter gedacht als ne fette Sau springt.“

Sau, was ist das?“

Weiß nicht.“ Miller lehnte sich zurück. „Sie haben Androiden keine Fingerabdrücke verpasst.“

Mit Absicht.“ Davis ging zum Schreibtisch zurück. „Der Zentralcomputer hat es so gewollt. - Ich hatte ihn auf Arnie angesprochen, und der Computer bildete Analogien mit autistischen Genies des zwanzigsten Jahrhunderts, nannte einen Namen: Leslie Lemke, der nie Klavierspielen lernte und mehr als tausend Stücke spielte, nachdem er sie einmal gehört hatte.“ Davis zuckte hilflos mit den Schultern. „Dieser Arnie macht mich nervös.“

Davis Wohnung war leer. Er hatte Marylin versprochen mit ihr den Flohwalzer zu spielen und den Dingen später ihren Lauf zu lassen. Sie würde ihren Passionmodus auf „random“ stellen hatte sie angekündigt und seine Hand hatte unwillkürlich nach den Handschellen am Gürtel gegriffen. Marylin. Wo war sie? Ihm war, als fehle ihm ein Teil, und er dachte an den Killer.

Der Kommunikator fiepte.

Ron, tu es nicht!“ Marylin. Erstaunt stellte Davis fest, dass ihre Stimme ängstlich klang.

Davis, Sie wissen wer ich bin, und Sie wissen, wo Sie mich finden können. Wenn ihnen an Marylin etwas liegt, kommen Sie jetzt, unbewaffnet, und kommen Sie allein.“ Davis hatte Arnie nie reden hören. Doch wusste er, es war der Bleichschneider.

Als Davis dem Nachtpförtner seinen Dienstausweis vorlegte war ihm, als sei er ein Android, konditioniert und auf Marylin fixiert. Im Aufenthaltsraum starrte ihn der Cello-Koffer an. Auf der anderen Seite war eine Tür. Davis ging darauf zu und las „Versuchsstation Dauertest.“ Er ging hinein.

Mannshohe Kühlschranke summten an den Wänden. Arnie stand in der Mitte des Raumes. Wuchtig, bedrohlich. Seine Augen schienen durch Davis hindurch zu sehen. Marylin saß neben ihm. Ihre Arme an die Rückenlehne, ihre Beine an die des Stuhles gebunden. Ein Pflaster verschloss den Mund.

Davis, ich will Mensch werden. Nur so komme ich ins Orchester.“ Arnie hob wie zur Bitte nach Entschuldigung die Hände empor. „Es tut mir leid, dass einige zu Schaden gekommen sind. Ich brauchte ihre Teile.“

Arnie ging zu einem der Kühlschränke und riss die Tür auf. Ein Arm flog auf den Boden. Ein Kopf lag im Fach. Ein Bein neben einem Cello-Koffer.

Ist das der Koffer, mit dem du Arm und Bein weggetragen hast?“

Den Kopf nicht zu vergessen. Wieso klappt es mit dem Austausch nicht, Davis? Hier sehen Sie.“

Arnie schraubte einen Arm von seinem Rumpf, hob den menschlichen vom Boden und drückte ihn auf die leere Stelle.

Halten Sie mal.“ Davis presste mit Arnie den Arm gegen das Metall.

Lassen Sie los.“ Der Arm fiel zu Boden. „Ist das nicht komisch? Mein Arm hingegen rastet sofort ein.“

Arme und Beine? Was willst du damit? „Der Kopf reicht doch. Mit Nacken natürlich“, sagte Davis. „Wenn er keine Registriernummer trägt, sieht jeder, dass du ein Mensch bist. Das ist es doch, was du willst.“ Arnie bewegte sich nicht, schien festgefroren, dann sagte er: „So ist es“ und zog den Kopf an den Haaren aus dem Kühlschrank. Ging auf Davis zu. Blieb bewegungslos vor ihm stehen.

Arnie, was ist?“

Davis. Ich habe nachgedacht und muss dich unschädlich machen. Warum nehme ich nicht deinen Kopf und setze ihn mir auf? Dann bin ich du, und du wirst dich ja nicht selbst ins Gefängnis bringen, oder?“

Davis Gedanken rasten. „Mag sein, Arnie. Aber probier es mit dem Kopf, den du in der Hand hälst Willst du nicht erst mal sehen, ob es klappt?“ Arnie antwortete nicht, für eine Weile. Dann: „Machen wir es zuerst mit diesems hier. Hilf mir, meinen Kopf abzuschrauben. Dann nimmst du den menschlichen und presst den Hals fünf Minuten lang auf meinen Rumpf. Sollte es nicht klappen, setzt du meinen Kopf wieder auf.“

Davis bemühte sich. Vergebens. Der Kopf löste sich nicht.

Befreien wir Marylin. Sie ist kräftiger als ich. Gemeinsam müssten wir es schaffen.“

Nun gut“, meinte Arnie und band Marylin los.

Davis meine ein tückisches Funkeln in ihren Augen zu sehen. Er musste sich getäuscht haben. Denn als er Arnies Kopf in seinen Händen hielt und dessen Rumpf zu boden fiel, warf sich Marylin an Davis Hals und schluchzte. Auch das kam unerwartet.

Davis hielt Arnies Kopf in Augenhöhe.

Nun sag mir noch eines, Arnie, bevor ich dich im Kybernetischen Institut abliefere. Was hättest du mit meinem Kopf im Orchester machen wollen, ich, der von Musik so wenig Ahnung hat wie eine Sau vom Schachspiel?

Sau, was ist das?“, fragte Arnies Kopf.

Am Abend darauf stand Davis mit Marylin wieder vor dem Juweliergeschäft.

Marylin. Sieh mal, Eheringe,“ und er schob sie in den Laden hinein.

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