Frisch aus der Presse. Macht beim Schreib-Lust-Wettbewerb mit.
Hier ist sie:
Trampolin
Wie üblich drehten die zwei Männer ihre Mittagspausenrunde
im Stadtpark, passierten Azaleen, Rhododendren, Mammutbäume. Heinrich Schneider
genoss das Panorama.
"Heinrich, in Italien wird jeden zweiten
Tag eine Frau umgebracht."
"Ja..., da hinten ist eine Eis Bude. Nehmen
wir mal diesen Weg und genehmigen uns ein Stracciatella. Im Eis machen sind
Italiener Spitze."
Es war keine Bude. Es war ein Anhänger, ein
Eis-Anhänger mit Fragola, Cioccolata, Limone, Crema, Lamponi,
Stracciatella und einem Hühnen von Mann dahinter. Seine Haare wirkten
onduliert, das Gesicht gerötet. Ein weißer Kittel spann sich über seinen
Bauch. “Hallo Udo”. Er streckte seine Hand aus.
Udo ergriff sie und nickte zu Schneider
hinüber. “Mein Kollege Schneider und ich hätten gern zwei Stracciatella.”
“Heinrich”. Udo grinste. “Dieser Mann ist ein
Lästermaul. So vor dreißig Jahren saßen wir an der Bar im Ballhaus Barmbek und
zogen über die Damen von Woolworth her, die mit schief aufgesetzter Perücke in
den Saal stürmten. Wie er heißt weiß ich aber nicht mehr.” Der Eisverkäufer
reichte lachend die Eistüten rüber. “Albert. Geht auf Haus.”
“Danke”, meinte Udo. “Hast du deine Wurstbude
noch?” “Ja, steht noch immer in der Fußgängerzone. Da bedient meine Frau. Vielleicht
kannst du dich erinnern. Die kleine pummelige aus dem Ballhaus.“
“Perücke?”, fragte Schneider und sah über die
Eisbude hinweg. Alberts Lächeln fror ein.
“Seine Wurstbude steht in Altona”, fügte Udo
hinzu. “Da sah ich ihn öfter. Muss eine Goldgrube sein. Und dein Mercedes?”
“McLaren”, antwortete der Eisverkäufer. “Habe
ihn ein paar Blocks weiter abgestellt.”
“Mit Anhängerkupplung?”
“Klar doch. Wie sonst soll ich den Eiswagen
hier wegbekommen?”
Schneider grinste.
“Ihr seid doch von der Polizei,"
bemerkte der Mann.
“Mordkommission”, erwiderte Schneider.
“Vor gut einer Stunde knallte es. Es war, als
ob jemand geschossen hätte.”
“Wo genau?”
“Aus dem Haus hinter mir.”
Schneider wandte sich um. Hinter einer Hecke
kam ein mehrgeschossiges Gebäude hervor.
“Mehrfamilienhaus?”
"Nee." Albert schüttelte den Kopf.
"Hin und wieder fährt ein Paar heraus. Mit Chauffeur."
"Udo, vielleicht sollten wir nachfragen,
ob da jemand geschossen hat. Vielen Dank fürs Eis."
Sie gingen auf die andere Straßenseite, zur
Eingangstür und läuteten. Jemand polterte die Treppen herab. Die Tür wurde
geöffnet. Die Sonne schien auf einen kleinen Mann, der Schneider und Udo
anblinzelte.
“Was kann ich für Sie tun? Sind Sie von den
Zeugen Jehovas?”
“Von der Polizei”, erwiderte Schneider
trocken. “Der Eisverkäufer auf der anderen Straßenseite hat einen Schuß gehört,
der in diesem Haus gefallen sein soll. Was sagen Sie dazu?”
“Nicht doch. Übrigens heiße ich Ebenbroich,
Karl Ebenbroich. Und Sie?”
Schneider zeigte seine Dienstmarke.
“Kommissar Schneider von der Mordkommission, und Inspektor Schmitz.”
“Es war kein Schuss.” Der Mann kniff wieder
die Augen zusammen. “Das Sonnenlicht blendet. Kommen Sie doch herein. Es war
eine Fehlzündung.”
“Fehlzündung?” Schneider und Udo sahen sich
um.
“Der Generator. Wissen Sie, ich bin Physiker.
Meine Experimente verbrauchen viel Strom. Ich erzeuge ihn mir selbst.”
“Können wir den Generator mal sehen?”
Ebenbroich rief: “Eva, wir haben Besuch!”
Dann wandte er sich wieder den Polizisten zu.
“Sicher doch. Kommen Sie mit nach oben.”
Ein Handy pfiff wiederholt. Während er die
Treppe hoch stieg, holte Udo es hervor.
“Breaking News: Günther Grass ist tot. Und das gleich 5 mal. Reicht doch, wenn er einmal
stirbt.” Udo zeigte es Schneider: “Heute Journal, New York Times, Guardian,
Zeit, Spiegel-Online”. Irre, dass so ein Telefon Nachrichten nicht auf
Redundanz prüfen und weg filtern kann. Smartphones sind doch so retro.”
“Also hier ist er”. Der Apparat stand in der
Ecke eines leeren Zimmers. Ein Kabel schlängelte sich zum Balkon und
verschwand. Ebenbroich hinaus..
“Und wenn sie vom Balkon hinunter sehen,
finden sie…. Oh Gott….”
Schneider ging zu Ebenbroich und blickte nach
unten. Das dicke Kabel war mit einem Trampolin Gestell verbunden, unter der
runden Öffnung lag eine Frau auf dem Boden.
“Um Himmels Willen!”, rief Ebenbroich. “Sie
ist da hinein gesprungen!”
Udo rief nach einem Krankenwagen.
“Herr Ebenbroich. Wir müssen Ihre Aussage zu
Protokoll nehmen und bitten Sie mit uns zu kommen.”
“Und meine Frau?” Ebenbroich
schluchtzte.
“Ich habe einen Krankenwagen angefordert”,
erwiderte Udo.
Sie gingen zu Fuß durch den Stadtpark.
Albert, der Eisverkäufer, bediente einige Schüler und sah ihnen hinterher. Die
Außenstelle, in der Schneider und Udo zur Zeit tätig waren, lag in der
City-Nord, unweit vom Park.
Im Kommissariat gesellte sich eine
Mitarbeiterin mit einem Aufzeichnungsgerät zu ihnen.
“Das Trampolin Gestell habe ich zu einem
Entstofflicher umfunktioniert.”
“Entstofflicher?” Schneider warf Udo einen
Blick zu.
“Ein Disintegrator,” erwiderte Ebenbroich.
“Er löst hineingefallene Objekte in Atome auf und setzt sie in einer anderen
Dimension wieder zusammen.”
“Und das funktioniert?”, fragte Udo.
“Nicht immer. Das haben Sie doch gesehen!”,
schrie Ebenbroich.
“Und wieso ist Ihre Frau hinein gesprungen?”
“Daran ist allein Karl, unser Chauffeur
schuld.”
“Ihr Chauffeur?”
“Meine Frau war in ihn verliebt. Obwohl sie
doch wirklich alt genug war, um ihre Impulse zu kontrollieren.”
“Den Namen des Chauffeurs bitte.” Schneider
nickte der Mitarbeiterin zu.
“Karl Schönefeld. Er wohnte in diesem Haus.”
“Wohnte?”, fragte Udo.
“Er war ein sensibler Mann. In einem
Zwiespalt aus Loyalität zu mir und aus Liebe zu meiner Frau, war er bereits
zuvor durch den Entstofflicher gegangen.”
“Ich sah nur ein Trampolingerüst.” Schneiders
Gesichtsausdruck blieb passiv.
“Haben Sie nicht das Kabel gesehen? Es ist
mit einem kleinen metallenen Kasten am Gerüst verbunden. Darin ist ein Apparat
mit doppelt gewobbelter Durchlasskurve und parasitärem Saugkreis untergebracht,
der die Fläche des Gestells mit Desintegrationsstrahlen alimentiert.”
“Und woher wissen Sie von einer anderen
Dimension?”, wollte Udo wissen.
“Das zeigen doch meine Berechnungen. Sie
stehen in meinem Büro an der Tafel und sind jederzeit nachprüfbar.”
“Wieso wissen Sie, dass es funktioniert?”
“Mein Chauffeur hatte sich zum Test
angeboten. Er wollte weg von hier. Er ist hineingesprungen und hat sich
aufgelöst.” Ebenbroich wischte sich die Schweiß von der Stirn und lockerte
seinen Kragen. “Ich hatte das meiner Frau erzählt. Sie hat es wohl nicht
verkraftet und muss versucht haben, ihm hinterher zu springen.”
“Haben Sie alles?” fragte Schneider seine
Mitarbeiterin und ließ Ebenbroich ziehen mit der Auflage, Hamburg nicht zu
verlassen.
“Schicken wir ein paar Techniker, um den
“Entstofflicher”....Schneider lachte. “Also den Entstofflicher zu untersuchen.
Schreiben wir eine Fahndung nach dem Chauffeur aus und warten den
Obduktionsbericht ab.”
Ein paar Tage später wurde der Chauffeur
gefunden, der erzählte, das Ebenbroich ihm 50 000 Euro ausgezahlt hatte mit der
Auflage, sein Haus zu verlassen und sich nie wieder sehen zu lassen.
Das Gerät war ein Trampolingerüst, und die
Frau ist nicht durch Gewalteinwirkungen zu Tod gekommen. Ebenbroich muss mit
einem Prozess wegen “Arglistiger Täuschung” rechnen.
Die beiden Polizeibeamten saßen in ihrem
Büro, lasen Akten, schrieben Berichte. .
“Ich sagte doch mal.” bemerkte Udo und legte
seinen Apfel zur Seite. “In Italien wird alle zwei Tage eine Frau umgebracht.
Vom Ex-Verlobten, vom eifersüchtigen Ehemann. Ebenbroich war perfider.”
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