Die Luft flimmerte, als Fred und Spock in den Central Park liefen. Abgestimmte Kleidung, zogen Blicke auf sich. Fred trug grüne, verblichene Designer-Shorts, ein T-Shirt, das sich um seinen Bauch spannte, zum Gras passend, das unter der Mittagssonne dürstete. Spock ein goldenes Halsband, in der Farbe wie der Frisbee, den Fred in der Hand hielt.
"Spock, fang!" Fred warf die Scheibe über den Rasen. Der Hund hechelte mit angelegt spitzen Ohren hinterdrein, überholte sie, drehte sich und sprang in die Luft, schnappte den Frisbee, überschlug sich zweimal, blieb eine Sekunde auf dem Rasen liegen, berappelte sich und brachte den Frisbee zurück.
„Bravo, Spock! Thataboy! Schnapp ihn dir noch mal!“ Fred schleuderte die Scheibe gegen die Sonne und Spock hetzte wieder los.
„Gib doch Acht, Mann,“ brüllte eine Stimme. Wer war das? Fred blinzelte in die Sonne.
„Noch viel Spass damit, Lord Frisbee!“, und er hörte dröhnendes Gelächter.
Die Scheibe kam aus der Richtung, in der sie verschwunden war. Fred und Spock liefen darauf zu. Spock sprang hoch, Fred spürte einen heftigen Schmerz am Kopf, dann wurde es dunkel um ihn.
Freds Schädel brummte, als er wieder zu sich kam. Spock stand vor ihm, leckte sein Gesicht und winselte.
„Was ist los?,“ stöhnte er. Ächzend richtete er sich auf. Die Sonne war hinter Bäumen verschwunden, sie befanden sich in einem Wald. Fred blickte an sich hinab. Keine abgestimmten Shorts mit T-Shirt, sondern Kettenhemd, grobleinene Hose und Schnürstiefel. Neben ihm lag ein Sack. Er machte ihn auf und blickte hinein, sah einen Laib Brot, metallene Handschuhe, einen Becher. Vor ihm lag der Frisbee. Fred nahm ihn an sich und wog ihn in der Hand. Schwer, aus Metall, und nicht nur das, sondern mit scharfen Zacken an der Aussenseite.
„Wunder über Wunder,“ murmelte Fred und steckte die Scheibe weg. Er stand auf, schulterte den Sack, und sie wanderten eine Weile, dann sahen sie zur Linken und zur Rechten ein paar primitive Hütten aus Holz. Ein Schmied schürte Feuer, schwer beladene Ochsenkarren rumpelten vorbei. Männer saßen in der untergehenden Sonne vor ihren Hütten und spielten Karten.
„Heil, Lord Frisbee,“ grüßten sie ihn und Fred merkte, dass Spock und er wohl ein paar Jahrhunderte oder mehr zurückversetzt worden waren. Sieht hier aus, wie die Fernsehserie mit Herkules, dachte er verwundert. Die Männer trugen elegante Beinkleider mit viel Spiel am Gesäß und im Schritt. Er blickte an sich hinab. Er trug Hosen der gleichen Art. Cool.
Vor einem größeren Holzhaus stand ein fetter Mann mit einer schmuddeligen Schürze vor dem Bauch und verneigte sich vor ihnen.
„Willkommen, Lord Frisbee. Sei er mein Gast und trete er ein.“
Fred und Spock gingen ins Haus. Eine Kneipe. Fred setzte sich an einen der Holztische und zog den Becher aus dem Sack.
„Schenkt ein den Wein, Ihr Holde.“ Charmant lächelte er die Wirtin an, die ihrem Mann an Umfang nicht nachstand. Nicht nur war sie ständig bereit, nachzufüllen, auch an Speisen war kein Mangel. Spock lag zufrieden unter dem Tisch und nagte an einem Knochen, während Fred trunken in den Becher starrte. Dreimal schon hatte er ihn geleert. Er rieb sich die Augen, als er auf seinem Grund eine schöne Frau erblickte, mit schwarzen Haaren, grünen Augen und atemberaubenden Kussmund.
„Mann, hat die zwei...“, dann merkte Fred plötzlich, dass die Frau sprach. „Rettet mich! Ich flehe Euch an! Ich, Tusnelda, bin in den Händen des Magiers Torox, der mich in seinem Glaspalast gefangen hält.“
Fred schüttelte den Kopf. „Komm Spock, jetzt hat es mich erwischt. Der Rotwein macht mich so scharf, und ich fange an zu halluzinieren. Wir gehen.“ Er verstaute den Becher, stützte sich schwer auf den Tisch und machte Anstalten, das Lokal zu verlassen, als der Wirt auf ihn zukam.
Lord Frisbee, es wäre eine Ehre für uns, wenn er und sein Hund bei uns übernachteten. Wir haben unser bestes Zimmer für ihn freigehalten.“
„Danke, mein Lieber. Gern nehmen wir Ihr Angebot an. Spock ist hundemüde, und auch ich bin nicht mehr ganz munter. Es war ein anstrengender Tag.“
Der Wirt stieg mit ihnen die Treppen hoch und zeigte die Kammer.
„Wirt, bringen Sie mir noch einen Krug Ihres köstlichen Roten.“
Dann waren sie allein. Spock und er. Fred legte den schweren Sack auf den Tisch und setzte sich aufs Bett. Er rieb seinen Kopf. Was war nur mit ihnen passiert?
„Spock, was hältst du von dem allen? Hier gibt’s alles umsonst. Nicht schlecht, was? Nur, haben die hier eine Krankenversicherung? Und was machen die, wenn man eine Prostatavergrößerung bekommt?“
Es klopfte. Fred öffnete. Der Wirt reichte den Krug durch die Tür und wünschte eine gute Nacht.
Fred holte seinen Becher aus dem Sack und schenkte ein. Er leerte ihn und betrachtete dessen Boden. Da war doch etwas gewesen? Er kam nicht mehr darauf und schenkte nach. Den Becher dreimal geleert, sah er eine schöne Frau mit schwarzen Haaren, grünen Augen und atemberaubenden Kussmund.
„Mann, Spock,“ gebannt sah Fred in den Becher hinein. „Hat die zwei....“ Er hörte ihre Stimme: „Rettet mich! Ich flehe euch an! Ich, Tusnelda, bin in den Händen des Magiers Torox, der mich in seinem Glaspalast gefangen hält,“ dann verschwand das Bild.
Als Fred sich vom Wirt am Morgen ein par Eimer Wasser über den Kopf gießen ließ, fühlte er sich frischer. Beim Frühstücksschmaus ging ihm einiges durch den Kopf. Er konnte es nicht unterbringen. Etwas war passiert, nachdem er den Becher wiederholt geleert hatte.
Durch vorsichtiges und geschicktes Hinterfragen fand Fred heraus: Ihm, Lord Frisbee, gehörten Ortschaft und Land, und er konnte sein Schloss in einer halben Stunde zu Fuß erreichen. So machte er sich wieder mit Spock auf den Weg.
Als sie am Schloss eintrafen, war die Freude groß. Kürschner, Köche, Stallburschen, Schmiede, Hellebardenträger, Mägde sowie der Majordomus schmetterten Fred ein fröhliches „Heil, Lord Frisbee!“ entgegen, einen Gruß, den er lächelnd erwiderte. Fred ließ sich vom Majordomus zu seinem Quartier geleiten, während Spock das Schloss auskundschaftete.
„Bringen Sie mir Schreibzeug und einen Krug Roten!,“ rief er dem Majordomus zu. Diesmal wollte Fred es wissen, und er packte seinen Becher aus. Dreimal leerte er ihn, dann sah er eine schöne Frau mit schwarzen Haaren, grünen Augen und atemberaubenden Kussmund auf dessen Grund.
Geschwind tauchte er den Federkiel in das Tintenfass.
„Mann, hat die zwei...“, schon hörte er ihre Stimme.
„Rettet mich!“, schrieb er weiter und horchte: „Ich flehe euch an! Ich, Tusnelda, bin in den Händen des Magiers Torox, der mich in seinem Glaspalast gefangen hält.“ Das Bild verschwand. Fred ließ das Papier fallen und schleppte sich auf sein Himmelbett.
Als er nach einigen Stunden aufwachte, las er, was er geschrieben hatte, und er ließ den Majordomus kommen.
„Jonas, Spock und ich haben unterwegs einen beschriebenen Zettel gefunden, zu dem wir gern eure Meinung hören würden. Wo ist Spock übrigens?“
„Spock, Herr, ist mit Senta auf dem Weg zur Metzgerei.“
Jonas beugte sich vor. „Mit Verlaub, Lord Frisbee, es ist kein gut Ding, dass der Bastard um Senta herumscharwenzelt.“
„Verstehe ich nicht. Doch nun zum Zettel. Ich lese daraus vor: „Mann, hat die zwei...“
Jonas schüttelte verständnislos den Kopf.
„Rettet mich! Ich flehe euch an! Ich, Tusnelda, bin in den Händen des Magiers Torox, der mich in seinem Glaspalast gefangen hält.“
Das zerknitterte Gesicht des Majordomus rötete sich. Er schnappte hörbar nach Luft.
„Lord Frisbee!“, rief er aufgeregt. „Tusnelda, die Maid mit der goldenen Nadel, die Schönste weit und breit, welche die Beinkleider für uns genäht, so anmutig locker am Gesäß und im Schritt. Tusnelda wurde von Torox entführt und wird in seinem Glaspalast gefangen gehalten.
Lord Frisbee.“ Jonas gab sich einen Ruck, „nur er kann Tusnelda befreien.“
„Es gibt eben doch nicht alles umsonst,“ grummelte Fred. „You can´t have the cake and eat it too. Wo habe ich das schon mal gehört?“
Am Tag darauf ritt er an die Grenze von Frisbeeshire. Spock steckte in der linken Satteltasche und blickte neugierig auf den gläsernen Palast, der sich gegen den Horizont abhob. In der rechten Tasche steckten eine Flasche Roter, sein metallener Becher, metallener Frisbee, metallene Handschuhe.
Fred galoppierte vor den Palast und zügelte sein Pferd jäh in den Stand. Es war kein Eingang zu sehen, und so holte Fred seinen Frisbee aus der Tasche, zog den rechten Handschuh über, warf die Scheibe in Richtung Palast. Mit singendem Geräusch sägte sie ein kreisrundes Loch in die gläserne Mauer. Krachend zersplitterte das Glas.
„Spock, unsere Chance!“, rief Fred, warf sich die Satteltaschen über die Schulter und lief auf den Palast zu. Der Hund war schneller, sprang in die Öffnung, Fred hinterdrein.
In der Mitte des Saales, in dem sie sich befanden, stand ein Himmelbett, auf dem eine Frau schlief. Sie hatte schwarze Haare und einen atemberaubenden Kussmund.
„Einfach zu schön, Spock. Ich glaube, ich trinke erst mal was.“ Fred schenkte den Metallbecher voll. Er trank ihn in einem Zug leer, dann schenkte er nach, trank ihn wieder aus, schenkte nach und trank wieder. Schon sah er auf dem Grund des Bechers eine Frau mit schwarzen Haaren, grünen Augen und atemberaubendem Kussmund.
„Mann, hat die zwei...“, rief Fred, dann hörte er sie. „Rettet mich! Ich flehe euch an! Ich Tusnelda...“
Fred stutzte. Die Stimme kam nicht nur aus dem Becher. Er warf einen Blick auf das Bett, auf die Frau, die aufgerichtet mit ihren grünen Augen starr in die Ferne sah und rief: „...bin in den Händen des Magiers Torox, der mich in seinem...“
„Haltet ein, Tusnelda!“, rief Fred und rannte auf sie zu. „Ich, Lord Frisbee, bin gekommen Sie zu befreien.“ Heftig schüttelte er sie. Verwirrt blickte Tusnelda ihn an. Röte überzog ihr Antlitz. Verschämt schlang sie eine Decke um ihren Körper, doch konnte sie nicht anders. Sie ließ sie wieder fallen, presste Fred mit beiden Armen an ihren Leib und bedeckte ihn mit Küssen.
„Lord Frisbee, oh, mein Retter! Unzählige Male träumte ich von ihm, und nun eilte er herbei, mich zu befreien!“
Leidenschaft war stärker als Vernunft. Fred schob den Gedanken an den Magier Torox beiseite. Er war im Rausch und folgte seinem Verlangen. Der Wein, es war der Wein. Ohne Unterlass liebten sie sich auf dem Himmelbett. Tusnelda jauchzte. Ihre Stimme, jubilierend erst, dann schriller, ließ den Glaspalast vibrieren. Schon zeigten sich Sprünge in den gläsernen Mauern. Spock hielt sich die Pfoten über die spitzen anliegenden Ohren und kroch winselnd unter das Bett, auf dem das Paar sich der Liebe hingab, während Torox, der Magier, von unheilvoller Ahnung heimgesucht, in den Palast zurückeilte. Es klirrte, schepperte, als große, gläserne Lüster von der Decke fielen; dann brach der Palast mit lautem Krachen über ihnen zusammen und begrub sie unter sich.
Spock, Tusnelda und Fred krochen keuchend aus den Trümmern des Himmelbettes hervor. Für Torox gab es keine Rettung. Er war von seiner Kristallkugel erschlagen worden.
Groß war der Jubel, als Fred Tusnelda heimführte. Sie machte sich alsbald ans Werk und nähte ihm zum Dank fünf Dutzend Hosen aus feinstem Tuche. Dafür, und weil er ohne sie nicht leben konnte, machte er Tusnelda zur Lady.
Es war ein schönes Leben. Fred und Spock übten sich im Raufen und Laufen und Saufen. Darüber hinaus wurde Fred Meister seiner Klasse im Holzhack-Wettbewerb. Sein Bierbauch bildete sich zurück, auch deshalb, weil er nur Rotwein trank. Dafür sorgte Tusnelda; doch bald begannen Zweifel an ihm zu nagen, und es gab Stunden, in denen er mit Spock in die untergehende Sonne schaute und sich fragte, ob es nicht besser sei, in seine Welt zurückzukehren; denn mit der ärztlichen Versorgung stand es nicht zum Besten. Was denn, fragte sich Fred, wenn er eine Prostatavergrößerung bekäme? Tusnelda spürte, das in den beiden etwas vorging und Traurigkeit legte sich auf ihr Gemüt. Sie fing an, sich beim Nähen in den Finger zu stechen und weinte, und Fred sah, es war an der Zeit, dass er Tusnelda über Spocks und seine Herkunft aufklärte.
Es war ein denkwürdiger Tag. Kürschner, Köche, Stallburschen, Schmiede, Hellebardenträger, Mägde standen Spalier, als Fred und Tusnelda jedem von ihnen die Hand schüttelten und Spock die Pfote gab. Das Gesinde schämte sich seiner Tränen nicht.
„Wir kommen wieder,“ versprach Fred mit rauher Stimme. Jonas hatte Freds rechten Metallhandschuh übergezogen und den Frisbee in der Hand. Fred, Spock und Tusnelda standen im Winkel von 90 Grad zueinander, als Jason die Scheibe in die Mitte warf. Wie auf Kommando rannten die drei auf den Frisbee zu. Spock sprang, Fred und Tusnelda hechteten ihm entgegen. Ein dumpfer Schmerz, als sie zusammenstießen, dann wurde es dunkel um sie.
Stöhnend fassten sie sich an den Kopf, blickten sich überrascht an. Fred trug sein verblichenes T-Shirt und Shorts. Tusnelda Jeans mit Top. Fred Blicke hefteten sich auf ihren Busen unter dem dünnen Stoff. Mann, dachte er, hat sie zwei... er blickte auf den Boden und suchte den Sack. Wo ist mein Rotwein? Der Sack war verschwunden, der Frisbee eine gelbe Plastikscheibe, und um sie herum war grüner Rasen. Dichte Wolken hingen über dem Central Park. Spätherbst.
Frierend liefen sie zu Freds Apartment, um festzustellen, dass es gar nicht mehr Freds Apartment war. Der Hauswirt hatte ihn vor die Tür gesetzt.
Fred hatte keinen weltlichen Besitz. Konsument war er, kein Sparer, und so machten sie sich auf den Weg zur nächsten Suppenküche. Als der Leiter nach ihrem Namen fragte, antwortete Fred: „Lord Frisbee mit Lady Tusnelda und ihrem Hund Spock.“
„Soso,“ meinte der Mann nur. „Willkommen in der Suppenküche von Bronx, MyLord.“
Stets freundlich und gut gelaunt, wurden sie in den niederen Kreisen schnell bekannt und gern gesehen. Es wurde kalt, und mit flinker Nadel verarbeitete Tusnelda einige Wolldecken des Obdachlosenasyls zu modernen Beinkleidern mit viel Spiel am Gesäß und im Schritt. Wenn die drei den Broadway entlang liefen, drehten sich Menschen nach ihnen um. Beim Frisbee spielen jedoch war die Kleidung hinderlich. Sie entledigten sich ihrer, sobald sie im Park die Scheibe warfen. Es dauerte keinen Tag, und Fred sowie Tusnelda steckten wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses im Gefängnis, Spock im Tierheim. Doch auch das währte nur kurze Zeit, dann wurden sie gegen Kaution auf freien Fuss gesetzt. Wer konnte an den kreativ geschneiderten Hosen Tusneldas achtlos vorübergehen? Gewiss nicht das Konsortium der Textilbranche. Und schon wurden die Schnitte Tusneldas le dernier cri.
Der Rest ist Geschichte. Das Unternehmen, an dem Tusnelda und Fred beteiligt sind, hatte in der letzten Zeit den Wirtschaftsteil der Zeitungen gefüllt, als es Benetton und Tommy Hilfinger aufkaufte.
Fred und Tusnelda streichen Tantiemen ein, lassen professionelles Management ihr Unternehmen führen, während sie im Central Park Frisbee spielen oder im fensterlosen schalldichten Schlafzimmer ihrer Villa Rotwein trinken. Spock, der in einer eigens für ihn hergerichteten Schlafkammer von Senta träumt, weiß, irgendwann geht es wieder nach Frisbeeshire zurück; denn Fred erzählte von einer Reisekrankenversiccherung.
Unterdessen nimmt sich dieser Zeit, Tusnelda die kulturellen und interessanten Seiten New Yorks zu zeigen. Auch heute sind sie unterwegs. Es steht eine Besichtigung des UNO-Gebäudes auf dem Programm, des Gebäudes der tausend Fenster. Die Rotweinflasche hat er vorsichtshalber zu Hause gelassen.
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