In
diesen Tagen werden bei Schreib-Lust wieder eingesandte Stories
bewertet. Es gibr ein paar gute Schreiber darunter. Die meisten
Stories jedoch empfinde ich als lahm. Ist auch klar, wenn man SF-Fan
ist.... Bei Geschichten von Frauen kommen meistens ein oder zwei
Personen vor. Wenn die Leute meine Stories mit mehreren Personen
lesen, ist das für sie nicht mehr verkraftbar.
Ich
komme auch ins Schleudern, wenn ich SF lese und der Autor fängt an,
extraterrestrische Verben in die Story einzuflechten, die nicht im
klingonischen Wörterbuch enthalten sind. Aber bei dödeliger
Belletristik sollte man schon über zwei Personen hinauslesen können.
Hier
mein letzter Erguss:
Gummibaum
Klaus Eylmann
Udo Schmitz,
Kriminalbeamter, mittelgroß, blond, mit blassem Teint und
wasserblauen Augen, konnte sich seine Wohnung ohne Gummibaum nicht
vorstellen. Dessen Präsenz erzeugte, so hatte Udo schon vor Jahren
festgestellt, eine beruhigende Atmosphäre, obwohl der Baum nichts
tat, als zu wachsen, Staub einzufangen, Blätter fallen zu lassen.
Die Altbauwohnung lag
in Hamburg-Winterhude, in einer Seitenstraße, die so wenig befahren
war, dass Tauben auf ihr spazieren gingen. Hier schien die Zeit
langsamer abzulaufen und Udo meinte, das läge an seinem Gummibaum.
Ficus Elastica, um die ein Meter fünfzig hoch mit einer
durchschnittlichen Blattlänge von fünfunddreißig Zentimetern. Udo
genoss die Ruhe, die von ihm ausging und die nur von dem hin und
wieder zu vernehmenden Brummen des Kühlschrankes, dem Rasseln der
Kette einer Standuhr, dem gluckernden Geräusch einer Kaffeemaschine
unterbrochen wurde. Wohnung, Gummibaum und Standuhr hatte Udo von
seinen Eltern übernommen. Die Kaffeemaschine vor einigen Tagen
gekauft. Das Lächeln der Verkäuferin, schlank, Größe um die 1,60
m, kastanienbraune, kurzgeschnittene Haare, vermutlich unverheiratet.
Ein reizendes Mädchen. Udo würde gern eine wie diese zu einem
Kaffee in seine Wohnung einladen.
Außer die Erde mit
Sauerstoff zu versorgen, hatten Bäume sicher noch andere Aufgaben,
die der Menschheit bisher verborgen geblieben waren. Sie waren nicht
dafür geschaffen, nur herum zu stehen. Für Udo wäre es nicht
abwegig, wenn alle Bäume miteinander in Verbindung stünden,
vermutlich über Partikel, die in einem Teilchenbeschleuniger wie dem
Hadron Collider bisher noch nicht aufgespürt worden waren. Dark
Matter, zum Beispiel. Und es war, so dachte Udo, nicht
auszuschließen, wenn sie mit Bäumen in anderen Galaxien und
Paralleluniversen kommunizieren würden. Udo hütete sich, seine
Theorie mit anderen Personen zu erörtern. Die Welt war nicht reif
dafür. So genoss er die Ruhe in dem Bewusstsein, dass es der
Gummibaum war, der dafür sorgte, dass er abends Schachpartien der
Meister ungestört am Küchentisch nachspielen konnte.
Schach spielte er im
Club, dann mit den großen Figuren im Stadtpark. Einem Freund hatte
er bei einer Schachpartie von seinem Gummibaum erzählt.
„Ich wusste gar
nicht, dass es die noch gibt,“ hatte sich der Mann gewundert. „Die
waren doch in den 60er Jahren in. Zur Zeit der Nierentische und
Tütenlampen.“
„Schon vorher,“
hatte Udo erwidert. „Zur Zeit der Volksempfänger, Drahtfunk,
Lautsprechern an den Stränden und grölenden Horden in Uniform.“
„Gummibäume…“.
Der Mann sah vom Schachbrett hoch. „Gummibäume waren ein Fad, eine
Marotte, eine Modeerscheinung. Soweit mir bekannt ist, hatte jeder
einen bei sich zu Haus stehen. Im Zeitalter des Internets und der
Social Networks, der Meme, Jingles, könnte man Gummibäume wieder
populär machen. Wir haben den E-Commerce und das wäre eine neue
Geschäftsidee.“ Er redete weiter. Udo hörte nicht hin. Auch
wusste er nicht, was Meme und Jingles waren. Er analysierte die
Stellung des Gegners und setzte ihn nach einigen Zügen matt. Dann
stand er auf und verabschiedete sich.
Um Gedanken an Beruf
und Schach hinter sich zu lassen, ging Udo hin und wieder tanzen. So
wie an diesem Abend. Für das Damenwahl-Lokal, eine tropisch warme
von Veilchenduft, Bierdunst und deutschen Schlagern geschwängerte
Vorhölle, war Ladies Night angesagt mit Frauen in der Überzahl. Udo
störte das nicht. Als Kriminalbeamter hatte er gefährlichere
Situationen überstanden. Doch nun saß er mit dem Rücken zur
Tanzfläche an der Bar, und es kam ihm vor wie Russisches Roulette.
Der Jockey legte eine
Scheibe auf. Udo starrte in sein Bier und wurde von hinten angetickt.
Udo drehte sich um, erstarrte, fing sich wieder. Sekunden später
quetschte sich eine korpulente ältere Frau an ihn. Der Discjockey
brachte seinen Spruch: „Haben Sie Ihrer Dame schon gesagt, wie gut
sie heute Abend wieder aussieht?“ Das bekam Udo nun doch nicht über
die Lippen. Er redete über die Standuhr seiner Mutter und den
Gummibaum. Die Frau schreckte das nicht ab, stürzte sich beim
nächsten Tanz wieder auf ihre Beute. Es gab für Udo zwei Fluchtorte
zur Auswahl: Ausgang oder Herrentoilette. Udo entschied sich für den
letzteren.
Dort ließ er die Luft
aus der Lunge und blickte in den Spiegel, strich eine Strähne
zurück, hielt die Hände unter den Wasserstrahl, benetzte sein
Gesicht und versuchte an nichts zu denken. Als er sich nach zehn
Minuten wieder hinaus traute, lauerte die Frau in fünf Meter
Entfernung. „Kommen Sie“, hörte er neben sich eine Stimme, die
ihm bekannt vorkam. Eine junge Frau lächelte ihn an, ergriff seine
Hand und zog ihn auf die Tanzfläche. Das Mädchen aus der
Innenstadt, das ihm die Kaffeemaschine verkauft hatte.
„Sie haben mich
gerettet“, seufzte er erleichtert und versuchte seine Gedanken zu
ordnen. Sollte er ihr sagen, wie gut sie heute wieder aussah? Das
wusste sie wohl selbst. Und überhaupt musste man Abstriche machen.
Schummrige Beleuchtung und Biere konnten seine kognitiven Fähigkeiten
herabsetzen. Aber soweit er sich erinnern konnte, war sie auch bei
Tageslicht hübsch, wenn er nüchtern war.
„Ich habe Sie mit
Ihrem markanten Gesicht gleich wieder erkannt und dann abgefangen.“
Die Frau kicherte und schmiegte sich an ihn. ´Was? Markantes
Gesicht?´ Er sah das blasse Oval aus dem Spiegel vor sich und musste
grinsen. ´Ich versuch es mal´, dachte er und sagte: „Ich kann
nicht mehr allzu lange bleiben. Habe vergessen, meinen Gummibaum zu
gießen.“
„Was!“, rief sie
aus. „Sie haben auch einen?“ Udo musste sich beherrschen.
Markantes Gesicht, Gummibaum. Sprüche klopfen hatte sie drauf.
Interessant. Was für ein Kontrast zu ihrem unschuldigen Aussehen!
Dann jedoch sagte sie:
„Bäume sind Poesie“. Und Udo drückte das Mädchen fester an
sich.
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