Am See
Der Mann
sah aus dem Fenster des Labors auf die Stadt Dunbar, auf den dichten Verkehr. Gleiter schossen durch die Luft.
Shuttle rasten mit flammendem Schweif in den Himmel. Neben dem Raumhafen
reflektierte Wasser das Licht zweier Sonnen. Dort zog es ihn hin. An dem See
war er schon einige Male gewesen. Der Lift fuhr ihn 22 Stockwerke hinab. Er
nahm das mobile Trottoir, stieg vom Band auf eines, das auf den See zu glitt.
Er sprang ab.
Laue Luft,
sommerlicher Abend. Der Mann näherte
sich dem Ufer und steuerte auf den Rundweg zu. Plötzlich wurde ihm gegenwärtig, wie dieses Ambiente von allem
abwich, was ihm bei Reisen auf Sirius begegnet war. Hatte noch Wasser die
Sonnen gespiegelt, als er aus dem Fenster geschaut hatte, so bedeckte es jetzt
eine Eisschicht. Und das bei einer Lufttemperatur, die dazu einlud, im Hemd herumzulaufen.
Der Mann
schlenderte den See entlang. Büsche säumten den Weg. Bäume mit blauen Blättern beugten sich über das Eis. Seltsam, dass er sich außerhalb des Perimeters nicht daran
erinnerte, was er am See erlebt, welche Personen er getroffen hatte. An Lisa
Lammer zum Beispiel, die Frau eines Autohändlers, der in einem Ort mit dem seltsam klingenden Namen Horsdorp an der Wümme ansässig war.
Er ging
weiter und da stand sie mit ihren unglaublich hellen Haaren. Sein Herz schlug höher. Berückend schön war Lisa nicht von seiner Welt. „Blond“, erklärte sie,
hieße die Farbe ihres
Haares.
„Eric.“ Sie umarmte ihn. Dann gingen sie den
zugefrorenen See entlang. Er unterbrach das Schweigen.
„Als
ich vorhin aus dem Fenster sah, spiegelte Wasser das Licht unserer beiden
Sonnen. Und nun ist es von Eis bedeckt und wird von nur einer Sonne beschienen.
Hätte ich dies vorher
gewusst, wäre ich mit
Schlittschuhen für uns
beide aufgekreuzt.“
Lisa
lachte. „Und ich würde dir so gern Horsdorp und die Wümme zeigen.“ Eric verzog sein Gesicht. „Das haben wir schon einmal probiert.“ Arm in Arm hatten sie sich damals vom See
entfernt. Lisa fand sich in Horsdorp und Eric in Dunbar neben dem Gleitband
wieder.
„Oh!“, schrie Lisa und zeigte auf zwei
Insekten, die auf sie zu krochen, vor ihnen stehen blieben und die Facetten
ihrer Augen auf sie richteten. Mit ihrer Größe von einem halben Meter, dem bläulich schimmernden Chitinpanzer und den
vibrierenden Antennen hatten sie etwas bedrohliches an sich.
Fliegen“, stammelte Eric. „Auf meiner Welt sind die nicht zu Hause.“
„Eric,
wir wollen Ihnen helfen“, hörte Eric in seinem Hirn. Telepathen,
dachte er. Lisa hatte sich einige Meter von ihnen entfernt und sah mit weit
aufgerissenen Augen zu ihnen hinüber.
„Wir
lesen in Ihrem Gehirn wie in einem Buch. Sie versuchen einen überlichtschnellen Antrieb zu entwickeln.“
„Dann
wissen Sie auch, dass wir keinen Erfolg damit haben“, dachte Eric. „Wenn Sie ihn kaufen wollen, kommen Sie ein
paar Jahre später
auf mich zu.“
„Nicht
doch, Herr Eric. Sehen Sie.“
Benommenheit befiel den Mann, dann formte sich ein Bild vor seinen Augen. „Das
Schema unseres Tachyonenantriebs. Wir haben es in Ihr Langzeitgedächtnis übertragen. Und nun die Formel.“
Sie
offenbarte sich in seinem Hirn. Eric studierte sie. „Wieso bin ich nicht von selbst darauf
gekommen?“ Er fühlte sich unwohl. Die Körpersprache der Aliens, ihr
Gesichtsausdruck, das Spiel ihrer Antennen sagten ihm nichts.
„Was
wollen Sie als Gegenleistung?“
„Die
galaktischen Koordinaten Ihres Heimatplaneten.“
Eric
reagierte ungehalten. „Was
haben Sie damit vor?“
„Wir
planen eine Invasion.“
Eric
lachte. „Woher sollen wir die
Koordinaten kennen, wo wir noch nicht einmal über unseren Planeten hinausgekommen sind.“
„Sie
sind im Hirn eines jeden Lebewesens gespeichert“, erwiderte eines der Aliens.
„Wie
kommen Sie zu dieser irrwitzigen Annahme?“, fragte Eric.
„Da sie
sich in unseren Gehirnen befinden, sollten sie auch in Ihren sein“, antwortete eines der Insekten und und fügte hinzu: “Wir starten die Sondierung. Es kann sein,
dass Ihr Gehirn dabei zu Schaden kommt.“
Eric drehte
sich zu Lisa und rief „Lasst
uns gehen!“ Starre befiel ihn.
Vergeblich versuchte er sich zu bewegen. Sein Kopf schmerzte. Es war, als habe
jemand einen Bohrer an seinen Schädel
gesetzt und laufen lassen. Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen. Kaum
bemerkte er eine zwei Meter hohe Röhre,
die auf sie zurollte. Aus dem obersten Segment schoss rötliches Licht auf die Aliens. Eric spürte, wie der Druck in seinem Kopf
verschwand. Die Fliegen waren zu Staub zerfallen.
Die Röhre vibrierte scheppernd auf ihren vier Rädern, drehte sich im Kreis. Es schien, als
würde sie lachen. Dann
fuhr sie mit saugendem Geräusch über den Staub hinweg. Der Weg war sauber.
Erst jetzt
nahm Eric die beiden Männer
wahr, die hinter einer Biegung hervorgekommen waren und der Röhre nachsahen, die von den Bäumen gefallene Blätter aufsaugte und ihren Weg fortsetzte.
„Der
Roboter mag anscheinend keine Fliegen“, sagte einer von ihnen. Der andere nickte Eric zu.
„Kommissar
Schneider von der Mordkommission. Mein Kollege Udo Schmitz.“ Er sah Eric fragend an.
„Eric“, grüßte der zurück.
„Ich
habe aufgehört mich zu wundern, dass
wir uns in diesem Hub verstehen“,
meinte Udo.
„Was
ist ein Hub?“,
fragte Schneider.
„Ein
Knotenpunkt.“
„Ein
kosmischer also.“
Schneider kratzte sich am Kinn. „Ich wüsste zu gern, wer den Roboter angestellt
hat.“
Udo feixte.
„Und ich hätte gern sein Bewerbungsschreiben gelesen.“
„Mensch
Udo“, rief Schneider. „Angestellt wie angeschaltet!“
„Keine
Ahnung.“ Udo grinste. „Ich weiß nur, was
er angestellt hat.“
Schneider
blickte auf die Uhr dann auf Udo. „Lass
gut sein. Sonst landen wir noch in einem kosmischen Kabarett. Gehen wir. Unsere
Mittagspause ist um.“ Die
beiden entfernten sich. Schneider drehte sich noch einmal um. „Eric, was wollten die beiden von Ihnen?“
„Die
Koordinaten meines Heimatplaneten. Sie hatten vor, ihn zu erobern.“
„Lächerlich“, rief Schneider. „Die hätten die Information doch wieder
vergessen.“ .
„Ich
muss auch gehen“,
meinte Lisa und gab Eric einen Kuss auf die Wange. Der stand plötzlich allein auf dem Weg, neben dem
eisbedeckten See, dachte an Lisa und den überlichtschnellen Antrieb.
An den
Antrieb dachte Eric auch am nächsten
Morgen in seinem Labor. „Es ist
zum Verzweifeln“, rief
er. „Ich werde alt, grün und komme nicht voran.“ Er blickte durch das Fenster auf den See
in der Ferne. Er strahlte Ruhe aus. Am Abend würde er dort wieder spazieren gehen.
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