NSA unplugged
Klaus Eylmann
“A1, A3 bis B6”. Der Mann hinter
der Theke ließ sich beim Gläser putzen nicht
stören. „Einer dieser Zugangscodes muss in Ihrer Personalakte
verzeichnet sein, damit Sie bei der NSA überhaupt was einsehen
können.“
„Ich bin nur auf der
Durchreise, hätte mich jedoch interessiert, da mal einen Blick rein
zu werfen. Der Bau sieht ja wie ein Borg-Raumschiff aus.“
„Ja, ja, die Borg.
Resistance is futile. Es gibt gewisse Ähnlichkeiten.“ Der Wirt
stellte das letzte Glas ins Bord. Eine junge Frau in Shorts setzte
ihr Tablett auf die Theke. „Pitcher und fünf Gläser.“
„Haben die
Besichtigungen?“, fragte ich.
„Einen Tag der offenen
Tür“. Der Mann öffnete den Zapfhahn und ließ Bier laufen. “Der
ist aber erst in zwei Monaten.“
Hinter mir klackerten
Billardkugeln. „Sind Sie von der Army?“ Ein schmächtiger Mann
setzte sich neben mich.“
„Nee, auf der
Durchreise. Und Sie?“
„Geschäftsreisender.“
Er stellte einen kleinen braunen abgewetzten Koffer ab. „Zwei
Bier“, sagte er dem Wirt, nahm den Koffer, hob ihn auf die Theke
und öffnete ihn. Die Frau zog mit Tablett, gefülltem Pitcher und
den Gläsern ab.
„Hier in Fort Mead
gibt es elftausend Armeeangehörige und Sie sind keiner. Na so was.“
Der Mann grinste. Glaubte der mir nicht? „Übrigens, ich heiße
Smith, John Smith“.
„Angenehm. Hans Meier
aus Deutschland“, erwiderte ich.
„Das, was Sie hier
sehen...“ Der Wirt beugte sich über den Koffer, grinste und machte
sich wieder daran Biere einzuschenken. „Wissen Sie, dass wir hier
ein Oktoberfest haben?“, rief er herüber.
„Mit Originalkapellen
aus Bavary“, fügte er hinzu.
„Das, was Sie hier
sehen, ist ein ADE 651. Erfunden von Wade Quattlebaum in South
Carolina.“ In dem Koffer befanden sich, eingelassen in dunkles
Styropor, ein schwarzer Apparat mit Handgriff, eine Stabantenne, eine
Box mit Pappstücken im Kreditkartenformat.
„Es ist ein Quadro
Tracker Positive Molecular Locator. Ursprünglich war es ein Golfball
Detector.
Golfbälle fliegen ja oft
irgendwo hin, wo man sie nicht wiederfindet.“ Der Mann schien Feuer
und Flamme. Er zog eine der Pappkarten aus der Box.
„Diese Suchkarte
enthält einen programmierten Chip und Moleküle des gesuchten
Objekts. Wenn ich, sehen Sie wie ich es jetzt mache.“ Smith
schraubte die Antenne auf den Apparat, umfasste den Griff und
streckte den Arm aus. „Also, wenn ich den Apparat in meiner Hand
einschalte. Einfach so. Die Antenne würde in die Richtung zeigen, in
der der Golfball liegt.“
„Wow,“ rief ich und
langte nach dem Bier.
„Und“, fuhr Smith
fort, „das gilt auch für Marihuana, Kokain, Heroin, Munition und
Dynamit sowie für Personen. Im Irak haben wir Tausende verkauft.
Dort arbeitet jeder Kontrollposten mit einem ADE 651.“
„Und jetzt wollen Sie
die NSA damit ausrüsten?“, fragte ich.
„Verloren gegangene
Daten können wir damit nicht aufspüren. Noch nicht.“ Smith
bestellte ein weiteres Bier. „Es fällt mir schwer, nicht über das
Gerät zu reden. Und was machen Sie hier?“
Das fragte ich mich
auch. Ich bin von Natur aus neugierig, aber ohne Zugangscodes hatte
ich keinen Zutritt in das Innerste der NSA.
„Ich mache Urlaub und
dachte mir, fahr doch mal nach Forth Mead, wo die NSA sitzt. So etwas
haben wir in Deutschland in dieser Größenordnung nicht.“
„Ja,“ strahlte
Smith. „Das gibt es nur bei uns, in God´s own Country.“ Smith
klappte seinen Koffer zu, trank sein Bier aus. „Vielleicht sehen
wir uns noch mal hier.“ Dann zog er ab.
„Den hat's erwischt,“
meinte der Wirt. „Ein harmloser Irrer. Das Gerät hat noch nie
funktioniert, und trotzdem gibt es einige, die von seiner Wirksamkeit
überzeugt sind. So wie Quattlebaum und Smith. Ich habe darüber
gelesen. Die sind derart von der Funktion überzeugt, dass es
Selbsthypnose gleicht. Man nennt es Ideomotor Effekt.“
Ford Mead befindet sich
im Bundesstaat Maryland. Dort sind 11000 Soldaten stationiert. 29000
Zivilangestellte arbeiten für das Militär. Und ich hänge in der
„Northern Lounge“ herum, wenn ich nicht gerade beim Angeln bin.
„Was gefangen?“
„Ein paar Barsche.“
Der Wirt nickte
zufrieden, als ob er sie geangelt hätte. Dafür gab es sicher auch
eine psychologische Erklärung. Dann kam ich mit einem Mann ins
Gespräch. Der war schon etwas älter. Sagen wir mal, so um die
fünfzig. Nach einigen Bieren rückte er sich seine Brille zurecht
und meinte: „Ich bin für Tischtelefone zuständig.“ Wieder so
ein Spinner, dachte ich mir und ließ in brabbeln. „Hören Sie? Für
Tischtelefone!“ Er wurde lauter. Der Wirt strich heran.
„Ruhig, Dude, wenn Sie
keinen Ärger haben wollen.“
Der Mann mit der Brille
drehte sich um, dann sagte er leise. „Das mit dem Aufspüren von
Terroristen ist doch nur vorgeschoben. Die NSA wurde von Silicon
Valley unterwandert, von Google, Facebook, Oracle und wie sie alle
heißen.“
„Und die werden von
Aliens beherrscht“, warf ich ein. Der Wirt grinste.
„Weiß nicht“. Der
Mann griff fahrig nach seiner Krawatte, leerte sein Glas, knallte es
auf die Theke und orderte eine neue Flasche. „Also Tischtelefone
befinden sich in Tanzlokalen und sind zum Anmachen da.“
„Und die NSA zeichnet
Gespräche auf wie „Hallo Süsse, wie wärs mit uns beiden?“.
Wenn er das bestätigt, renne ich schreiend aus dem Lokal, dachte
ich.
„Es wird alles
aufgezeichnet. Einfach alles. Wir wollen gläserne Menschen.“ Der
Mann sah zur Uhr. „Ich muss los.“ Er rutschte vom Hocker, dann
drehte er sich noch einmal um und rief: „Data Mining! Big Data!“
Er verschwand. Ich goß mir den Inhalt seiner Flasche ins Glas und
sah den Billardspielern zu.
Dann kam sie. Sah aus
wie Jessica Rabbit und mir wurde heiß. Wie aus dem Cartoon
entsprungen, doch aus Fleisch und Blut. Sie setzte sich neben mich,
bestellte einen Orangensaft. Ihr hautfarbenes eng anliegendes Kleid
schien durchsichtig. Eine Parfumwolke legte sich über die Theke und
mir schmeckte das Bier nicht mehr. Ich starrte in den Spiegel hinter
den Flaschen. Unsere Blicke trafen
sich.
„Ein Wagen der NSA.“
Der Wirt deutete mit dem Kopf zum Fenster. Ich drehte mich um. Einer
der Vans ohne Aufschrift, die man vom Fernsehen kennt. Die Frau zog
einen Zettel aus ihrem Täschchen. Der Wirt reichte ihr einen
Schreiber. Er schien es gewohnt zu sein.
„Mein Mann ist
eifersüchtig.“ Die Hand der Frau zitterte, als sie fortfuhr zu
schreiben. „Ihm gehört die NSA: Er lässt mich überwachen. Seine
Leute hören mit.“ Der Wirt schob mir einen Schreibblock rüber.
Ich griff nach meinem Kuli und schrieb: „Was? Das Karnickel Roger?
Gehört die NSA nicht dem Staat?“
„Mein Mann ist General
Quattlebaum.“ Unsere Schreiber flogen über das Papier.
„Hat der nicht den
Golfball Detektor erfunden?“
„Genau der. Jetzt ist
er General der NSA, die dazu da ist, mich zu überwachen.“
„Die hört doch
Millionen von Amerikanern und Ausländern ab.“
„Das ist doch nur
vorgetäuscht, damit es nicht so auffällt.“
Wow, dachte ich. Weiß
das auch die amerikanische Regierung? Ich beschrieb einen Zettel und
schob ihn dem Wirt zu.
Er kritzelte seine
Antwort: „Jedes Haus in Fort Mead hat einen abhörsicheren Raum:
Die Besenkammer.“ Er langte hinter sich, drückte mir einen
Schlüssel in die Hand und zeigte auf eine Tür neben der Theke.
Ich rutschte vom Hocker,
zeigte Jessica den Schlüssel, ergriff ihre Hand.
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