Hanford, ein
Wahnsinnsprojekt.
Ich las gerade mal wieder
etwas über
Hanford in der
„Business Week“.
Und YAYYYY; 2002 schrieb
ich schon mal eine Kurzgeschichte darüber. War ich gut oder wie oder
was?
1944 – 1989 wurden dort
74.000 Tonnen Plutonium hergestellt. 450 Milliarden Gallonen (1
Gallone = 4 Liter) industrieller und radioaktiver Abfälle in den
Boden versenkt.
177 Tanks befinden sich
unter der Erde mit Chemikalien und radioaktiven Flüssigkeiten. 66
davon sind zerborsten. Der Artikel, den ich las, beschreibt die
Arbeit eines Unternehmens, das Atomreaktoren, Aufbereitungsanlagen
dort zerlegen und dekontaminieren soll. Eine Jahrhundertarbeit.
Und hier nun meine
Story.
Hanford
“Also, ich meine, ein fünfzig Kilo
schwerer Lachs ist schon was, worüber man schreiben kann.”
Ted MacLannon hielt inne und wartete
auf Bobs Reaktion, doch der blickte der Kellnerin nach. Resigniert
griff MacLannon nach seinem Bier.
“Und wenn zwei solcher Viecher in
einer Woche gefangen werden, ist es was, worüber man schreiben muss.
Bob, hörst du überhaupt zu? Nun sind aber fünf von ihnen an Land
gezogen worden. Also, ich fühle mich
verpflichtet, der Sache auf den Grund zu gehen. Was meinst du?”
“Wie? Äh, ja, da hast du Recht.”
Die Kellnerin war verschwunden. Sie
blickten durch das Fenster auf die vom Nieselregen verschleierte
Strasse und hingen ihren Gedanken nach.
“Also,” MacLannon erhob sich und
legte ein paar Dollar auf den Tisch. “Also, ich meine, ich sollte
einen dieser Angler aufsuchen. Du kannst mitkommen, wenn du willst.”
“Wie? Mitkommen? Ich sage nur
eines: Hanford.” Bob blickte bedeutungsvoll auf MacLannon, dann kam
die Kellnerin wieder von den Tischen zurück.
“Ted, ich glaube, es geht nicht.
Ich habe zu viel um die Ohren.”
MacLannon grinste. Die Frau war
verheiratet.
“Möchtest
du wohl, was?” Dann stand er auf der Strasse.
Er nahm die 82 und fuhr in
südöstliche Richtung, auf Richland zu. Der graue Pontiac glitt
durch das herbstlich trübe Wetter. Grau auch der Himmel, dann der
Regen, die eintönig gerade Strecke. MacLannons Gedanken wanderten.
‘Ich sage nur eines: Hanford’, hatte Bob gemeint.
Der Mann hiess Tom Haynes.
“Also, von der Seattle Times
sind Sie? Das was ich Ihnen jetzt zeige, ist kein Anglerlatein.”
Der vierschrötige Mann deutete auf ein grosses Foto an der Wand.
MacLannon trat dichter heran. Auf dem Bild hielt der Angler lachend
einen Riesenlachs in den Armen.
“Herzlichen Glückwunsch zum Fang,”
meinte MacLannon und griff nach seiner Kamera.
“Lassen Sie mich ein Foto machen,
von Ihnen, dem Foto mit Ihnen und dem Fisch. Das bringen wir im
Lokalteil. Wo haben Sie ihn erwischt?”
“Im Columbia River, unterhalb des
Bonneville Staudamms. Es war ein Quinnat.
Er schaffte es nicht über
die Fischtreppe.”
“Hanford. Was meinen Sie?”
Der Angler zuckte mit den Schultern.
“Kann sein, meine Frau und ich haben ihn trotzdem gegessen. Der
Nächste wird ausgestopft und kommt an die Wand, da können Sie Gift
drauf nehmen.”
“Vielleicht reicht schon eine
Besuchertour, ” meinte MacLannon, verabschiedete sich und ging.
“Wenn ihr Leute aus der Stadt jetzt
zur Halloweenzeit an Riesenkürbissen interessiert seid, dann fahrt
zu Ben!,” brüllte Haynes hinter ihm her und zeigte die Strasse
entlang.
“Der wohnt zwanzig Meilen weiter.
Ihr könnt ihn nicht verfehlen. Der Einzige, der da noch lebt!”
Bevor MacLannon fragen konnte, was
mit den anderen sei, war Haynes in seinem Haus verschwunden.
Fünf Jahre bleibt der Quinnat-Lachs
im Pazifik, dann kehrt er zurück, wandert seinen Fluss hoch um zu
laichen, dort, wo er einstmals aus dem Ei schlüpfte. Der Columbia
River fliesst zweiundachtzig Kilometer durch Hanford.
Gelbrötliche Riesenkürbisse,
grösser als Medizinbälle, farbige Tupfen auf dunkelbraunen Äckern.
MacLannon spähte angestrengt durch den Regen. Ein Haus tauchte aus
dem Dunst, und er hielt an. Der Vorgarten war verwildert, das Gras
nicht gemäht. MacLannon stieg aus, ging zum Eingang und klopfte.
Keine Antwort. Die Tür war angelehnt, Staub lag auf den Möbeln.
Hier wohnte schon seit längerer Zeit niemand mehr. Muller stand auf
dem Namensschild. Er ging um das Haus herum. Ein Husky lag auf dem
Boden, alle Viere von sich gestreckt, abgemagert, tot. Dunkelbraune
Flecken durchsetzten sein hellgraues Fell.
MacLannon fuhr weiter. Ihm war nicht
wohl. Er sah eine heruntergekommene Holzhütte und einen Schuppen,
davor einen alten Traktor mit Anhänger, einen Pick-Up, zwei Männer
in Regenmänteln. Sie holten Kürbisse aus dem Anhänger und luden
sie um. Einer von ihnen stieg in den Laster und fuhr davon. Der
andere, ein kahlköpfiger, blasser Mann, humpelte auf MacLannons
Wagen zu. MacLannon liess die Scheibe herab.
“Sind Sie Ben? MacLannon von der
Seattle Times. Tom Haynes schickt mich zu Ihnen. Er meint, Sie hätten
die grössten Kürbisse hier in der Gegend. Wie kommt das?”
“Weil sonst niemand mehr in der
Gegend ist, um Kürbisse anzubauen,” antwortete der Mann mürrisch.
MacLannon kletterte aus dem Wagen und
vertrat sich die Beine. Er sah, wie Wasser vom Dach rieselte und sich
in einer Pfütze sammelte.
“Wo sind Ihre Nachbarn hin?”
“Weiss nicht. Wolln Sie nen
Kürbis?” Der Mann zwang sein Gesicht zu grinsen. “Halloween.
Halloween Kürbis.”
“Was ist mit der Familie Muller?”
“Weiss nicht. Wolln Sie nen
Kürbis?”
“Passt nicht in meinen Kofferraum.”
Er hörte das Miauen einer Katze und blickte nach oben. Sie kauerte
auf dem Dach des Schuppens, sah ihn an, sprang auf den Anhänger, von
dort auf den Boden. Vollkommen durchnässt, kaum war ihr graues Fell
zu erkennen, strich sie um MacLannons Beine und schnurrte. Vital,
und doch nur ein Bündel aus Haut und Knochen mit dunkelbraunen
Flecken.
“Was hat sie denn?”
“Roxy ist krank. Manchmal ist sie
tagelang weg, dann muss ich sie suchen gehen. Ich bin wohl auch
krank, immer so müde.”
“Ben, Sie bringen sie besser zum
Tierarzt.”
“Ich kann hier nicht weg. Die
würden mich mitnehmen. Sie beobachten mich.”
“Wer?”
“Die Ausserirdischen.”
“Ausserirdische?”
MacLannon ging zu seinem Wagen und
holte Zettel und Bleistift hervor.
“Ben, malen Sie mal auf, wie die
aussehen.”
Regen tropfte auf das Papier.
MacLannon beobachtete verblüfft, wie schnell Ben Figuren auf das
Blatt brachte. Figuren ohne Gesicht, Figuren in Raumanzügen.
“Ben, wenn Sie hier nicht weg
können, wovon leben Sie denn?”
“Von meinem Gemüse. Es wächst
sehr gut, kommen Sie, und ich hab auch einen Brunnen.”
Ben ging voran. Rötliche Karotten
ragten zwanzig Zentimeter aus der Erde und bildeten mit ihren Trieben
eine Barriere, hinter der Salatköpfe so gross wie Fussbälle
heranwuchsen. Dahinter bildeten sich faustdicke Erbsen- und
Bohnenschoten in dichtem Rankwerk, durch das gelbe Gurkenblüten
leuchteten.
“Wie machen Sie das, Ben?”
“Ich rede mit ihnen, den Pflanzen.
Aber es ist die Erde. Sie meint es gut mit mir. Ich will hier auch
nicht weg.”
“Und Ben, die Familie Muller, die
wollte doch sicher auch nicht weg.”
Ben trat von einem Bein aufs andere.
Er starrte auf den Boden, auf das Wasser, das aus der Regenrinne
schoss, auf die Pfütze, die sich ihren Füssen näherte, dann
blickte er auf MacLannon. Seine Augen schienen ohne Leben.
“Sie waren tot. Ich habe gesehen,
wie sie sie mitgenommen haben. Den Jack, die Stacy, und die beiden
Kinder.”
“Wer?”
“Die Ausserirdischen.”
Als MacLannon die Strasse zurückfuhr,
sah er ein Hinweisschild. ‘Hanford Besucher-Zentrum’. Er
bog ab.
Eine junge Frau füllte einen
Prospekt-Ständer. MacLannon blieb unschlüssig stehen und sah ihr
zu. Es war alles so schrecklich normal. Warum fühlte er sich so
beklommen? Rechts vom Empfangstresen standen zwanzig leere Sessel,
wie in einem Kino aufgereiht. Er trat näher heran, sah eine
Leinwand, ein Schild, einen Knopf. MacLannon las: ‘Virtuelle Tour.
Bitte drücken.’
“Willkommen in Hanford,” säuselte
eine Frauenstimme, “folgen Sie uns auf unserer Virtuellen Tour.”
Auf der Leinwand erschien eine
Landkarte mit 21 durchnumerierten Arealen.
“Hanford umfasst 1450
Quadratkilometer Steppe und Sand mit Salbeisträuchern
am Columbia River im Südosten des
Staates Washington. Das Gebiet wird vom Energieministerium, dem
Nachfolger der Atom Energie Kommission, verwaltet.
Als Plutonium Produktionsstätte
spielte Hanford über mehr als vierzig Jahre eine wichtige Rolle in
der Nuklearverteidigung unserer Nation, beginnend mit dem Manhattan
Projekt der Vierziger Jahre. Heute ist es Schauplatz der grössten
Atommüllentsorgungsinitiative.”
Atomreaktoren,
Plutoniumaufbereitungscanyons, Trainingsplätze, Wissenschaftliche
Versuchsanstalten auf der Leinwand und Erklärungen aus unsichtbaren
Lautsprechern. Der Film stellte einen stillgelegten Reaktoren nach
dem anderen mit seinen technischen Daten vor, und MacLannon schlief
in seinem Sessel ein.
“Wachen Sie auf, Sir, ich muss
jetzt schliessen.”
Jemand rüttelte ihn aus dem Schlaf.
Die Angestellte des Besucher-Zentrums lächelte freundlich. “Kann ich noch etwas für Sie tun,
Sir?”
“Wie heissen Sie, schöne Frau? Wie
wäre es mit einer Privatführung?”
“Lorie. Führungen werden durch
unser qualifiziertes Personal durchgeführt, mein Herr. Nächsten
Donnerstag habe ich noch Plätze frei. Darf ich Sie eintragen?”
“Ich weiss nicht. Ist das nicht
gefährlich?”
“Keineswegs, Sir. Verstrahlte
Gebiete werden weiträumig umfahren.”
MacLannon liess sich von Lorie die
Tour sowie die verseuchten Gebiete auf der Karte zeigen, steckte den
Plan in die Jackentasche und verabschiedete sich.
Einige Tage dauerte es, dann kam der
Geigerzähler mit der Post. MacLannon fuhr wieder los. Die
Kürbisfelder tauchten auf. Er liess seinen Wagen bei Ben stehen,
schnallte das Messinstrument an seinen Gürtel, nahm seine Kamera,
und gemeinsam gingen sie an den Warnschildern vorbei in das Areal.
Niemand hinderte sie daran.
“Ben, wo hat sich Roxy meistens
aufgehalten?”
“Auf dem Berg.” Ben zeigte auf
das vor ihnen liegende Plateau. Sie gingen darauf zu. Der
Geigerzähler fing an zu klacken.
“Wir laufen besser,” meinte
MacLannon. “Sollten uns nicht zu lange der Strahlung aussetzen.”
Er rannte los, dann drehte er sich zu Ben um. Der humpelte, so
schnell er konnte, hinter ihm her. Der Geigerzähler ratterte immer
schneller, je mehr sie sich der Anhöhe näherten. Nicht gut,
dachte MacLannon und lief keuchend den Abhang hoch. Er wandte sich
um, sah, dass Ben Mühe hatte, ihm zu folgen und rief ihm zu:
“Laufen Sie zurück, Ben. Ich mache allein weiter. Noch eines: Wo
sind die Ausserirdischen hergekommen?”
“Von dort.” Ben zeigte nach
rechts. MacLannon wandte sich um. Hinter einigen Krüppelkiefern
ragte ein flaches, weisses Gebäude hervor.
MacLannon rannte weiter, blickte kurz
zurück, sah wie Ben humpelnd zwischen den Sträuchern verschwand.
Motorengeräusche drangen durch das Rauschen des Regens. Er wandte
sich um, lief ihnen entgegen, dann hechtete er hinter einen Felsen,
als er den Laster sah, der sich die Anhöhe hochquälte. Er hatte
riesige Glasklötze geladen.
MacLannon zückte seine Kamera und
knipste, bevor der Wagen in einem gigantischen Stollen verschwand.
Der Geigerzähler klackte ohne Unterbrechung. MacLannon rannte über
die Fläche des Plateaus. Die Strahlung liess nach, als er den Abhang
hinablief und sich dem weissen Gebäude näherte.
‘Verglasungsanstalt’.
MacLannon passierte das Schild vor dem Eingang und ging hinein.
Im Flur war niemand. Er öffnete die erste Tür. Der Raum war leer,
bis auf einige Strahlenschutzanzüge an der Wand. MacLannon zog seine
Schuhe von den Füssen, den Geigerzähler vom Gürtel, nahm einen
Anzug vom Haken und schlüpfte hinein. Er trat in den Flur. Als er
die nächste Tür öffnete, spürte er einen heftigen Schlag auf dem
Kopf, dann wurde es dunkel um ihn.
Es rüttelte heftig, als er wieder zu
sich kam. Einige Sekunden blieb er mit geschlossenen Augen stehen.
Stehen? MacLannon erschrak und riss die Augen auf, versuchte sich zu
bewegen. Etwas hinderte ihn daran, und das Atmen fiel ihm schwer.
Panik befiel ihn, als die Landschaft wie unter Glas an ihm
vorüberzog. Unter Glas? Er stand in einem Glasblock, zwischen
anderen gleicher Grösse, auf der Ladefläche eines Lasters, der dem
Plateau entgegenholperte. Wie lange reichte die Luft? Er versuchte,
sich an den Hals zu fassen. Es ging nicht! Ihm wurde schwarz vor
Augen, und er fiel in ein bodenloses Loch.
Dunkelheit umgab ihn, als er wieder
erwachte. Nicht ganz, die Blöcke strahlten ein schwach bläuliches
Leuchten aus. Die Erinnerung kam zurück. Er versuchte sich zu
bewegen. Ohne Erfolg, er steckte in dem Glasblock! Das Blut dröhnte
in seinen Ohren. Sein Kopf schmerzte. Wo befand er sich? In einer
Atommülldeponie? Das Leuchten, war es radioaktiver Zerfall von
Cesium 137 und Strontium 90 im Wasser? Hatte er nicht so etwas
gelesen?
MacLannon blickte genauer hin. Das
Blut gefror in seinen Adern. Bläulich leuchtende Kadaver! Sie
befanden sich in Glasblöcken, genau wie er! Standen um ihn herum,
wie eine Armee entseelter Zombies, doch sie waren ohne Leben! Bestand
der menschliche Körper nicht zum grössten Teil aus Wasser? Das
Grauen schnürte sein Innerstes zusammen. Er schloss die Augen,
wollte das schreckliche Bild verdrängen, doch sah er weiter ihre
eingefallenen Gesichter. Sie waren auf ihn gerichtet, als ob sie
dachten: ‘Bald bist du einer von uns.’
Er atmete flach. Wieso konnte er es
überhaupt noch? Ein dumpfes Geräusch. MacLannon drehte die Augen
nach oben. Roxy! Die Katze stand über ihm. Wie von Ferne hörte er
ihr Miauen.
MacLannon schloss die Augen,
versuchte seinen Atem anzuhalten und an nichts zu denken. Es klopfte.
Wieviel Zeit war vergangen? Halluzinierte er? Ben stand vor ihm und
rief ihm etwas zu, dann verschwand er wieder.
Heftige Schläge weckten MacLannon
wieder auf. Das Glas zerbrach unter Hammerschlägen, MacLannon
schnappte nach Luft und fiel zu Boden. Mit letzter Kraft griff er zur
Kamera, die neben ihm lag und blieb einige Minuten liegen, dann
richtete er sich auf, fotografierte mit zitternder Hand die Leichen
um sie herum.
“Das ist Muller mit seiner Familie,
und dort sind die anderen Nachbarn.” Bens Stimme bebte, als er auf
ein paar leuchtende Glasblöcke zeigte. Ein Mann, eine Frau, zwei
Kinder. Dann zehn weitere Leichen in Glascontainern.
Ben blickte MacLannon an. “Ich habe
Angst, aber ich gehe nicht von zu Hause weg.”
“Mir fehlen die Worte!” MacLannon
schluckte, er brachte nichts mehr hervor. Seine Augen fuellten sich
mit Tränen. Mühsam erhob er sich, er wankte. Ben und MacLannon
stützten sich gegenseitig, als sie den Stollen verliessen. Es
dauerte eine Ewigkeit, bevor sie die Hütte erreichten.
“Du weisst nichts, Ben. Hast nichts
gesehen, nichts gehört. Sie werden dir nichts tun.” MacLannons
Stimme war heiser geworden. Er schnaufte, als er in seinen Wagen
stieg.
“Ich habe dies hier,” er hielt
seine Kamera hoch und fuhr nach Seattle zurück.
Als MacLannon am nächsten Morgen die
Redaktion aufsuchte, fühlte er sich, als habe er nächtelang nicht
geschlafen.
Er trat ohne anzuklopfen in das Büro
seines Chefs und hielt sich an der Tür fest.
“Was ist, Ted. Fühlen Sie sich
nicht wohl? Sie sehen bleich aus.”
“Hanford hat Leichen im Stollen,
Boss,” fluesterte MacLannon heiser. “In Glascontainern. Ich habe
es aufgenommen.”
Er hielt seine Kamera hoch.
“Mann, lassen Sie das Material
sofort entwickeln.”
“Tut mir leid, Ted.” Der Mann vom
Labor schüttelte bedauernd den Kopf.
“Der Film ist geschwärzt, es ist
nichts zu erkennen.”
Die Strahlung! Es war alles
umsonst! MacLannon wurde übel, er musste sich setzen. Er stützte
seinen Kopf in beide Hände und starrte vor sich hin. Konnte er so
leicht aufgeben? Sie hatten sie gesehen, Ben und er. Bens Nachbarn,
als Leichen, als Kadaver, aus sich heraus leuchtend. Das musste an
die Öffentlichkeit.
“Sheriff, Sie müssen mir glauben.
Hanford hat Leichen eingeglast, sie stecken in Glascontainern. So
glauben Sie mir doch. Ich kann es Ihnen zeigen, und ich bin nicht der
Einzige, der das gesehen hat.”
“Nun gut, ich habe von dem neuen
Verglasungsprozess gehört. Und ich wünschte, wir könnten den
gesamten menschlichen Abfall auf diese Art beseitigen.” Der Sheriff
lachte meckernd. “Aber das, was Sie jetzt erzählen. Mann, Sie
müssen einen über den Durst getrunken haben. Doch gehen wir der
Sache nach. Sind wir nun bürgerfreundlich oder was?” Er winkte
einen Polizisten herbei.
Sie fuhren zu Bens Hütte. Die Tür
war unverschlossen, von Ben keine Spur. War er auf der Suche nach
Roxy? Die lag auf dem Dach und sah auf die beiden Männer herab.
MacLannon führte den Polizisten zur
Verglasungsanstalt. Dort gaben ihnen freundliche Leute zwei
Strahlenschutzanzüge und geleiteten sie in den Stollen.
“Fehlanzeige. Mann, wo sind denn
Ihre Leichen? Sie haben halluziniert.” Der Polizist schüttelte den
Kopf. Das bläuliche Leuchten rührte vom Cesium 137 und Strontium 90
im Wasserbad, das durch Glascontainer strahlte.
“Ted, gehen Sie nach Hause und
machen ein paar Wochen Urlaub. Sie sollten ausspannen,” meinte sein
Boss.
Besser so, dachte MacLannon,
als er in seiner Wohnung sass. Ihm ging es nicht gut. Bald fand er
jeden Morgen immer mehr Haare in seinem Kamm. Deprimiert stellte er
fest, die Mission, die hinter seinem Reporterberuf stand, war ihm
abhanden gekommen. Wahrheit, Lüge, Recht, Unrecht, was interessierte
noch? Täglich wurde er schwächer, apathischer, und als MacLannon
sich mit letzter Kraft aufmachte, Ben zu besuchen, war er so kahl wie
dieser; doch Ben war nicht mehr da.
MacLannon blieb in dessen Hütte.
Roxy hatte sieben Leben. Mit müden Augen sah er, wie sie, trotz
ihres schäbigen, zerfressenen Felles, nichts von ihrer Energie
verloren hatte, und sie liess ihn nicht allein. Sie begleitete ihn,
wenn er die Kürbisse vom Feld holte, um diese an ignorante Seelen zu
verkaufen.
Er ernährte sich von dem
Riesengemüse, trank Wasser aus dem Brunnen, während Roxy Mäuse
herbeischleppte und sie MacLannon zeigte. Heute war ein besonderer
Tag. Stolz legte Roxy ihm eine Maus mit zwei Köpfen vor die Füsse.