Sonntag: Und nun sitze ich im Krankenhaus Sant´Anna in Ferrara.
Zwei-Bett-Zimmer. Das andere ist nicht belegt. Noch nicht. Kann man nicht meckern. Noch mal Blut abgenommen. Brust und Rücken rasiert. Morgen, Montag früh geht es los. Eingedeckt habe ich mich mit Sudoku, portugiesischer Grammatik, einen Perry Mason auf portugiesisch „O Caso do Papagaio mentiroso“.
Montag: Nun, der Patient lebt. Zum ersten Mal lange Strümpfe getragen. Mein Gott wie sexy. Moment. Ich glaube nach dem zweiten Weltkrieg trugen wir Kinder auch lange. Wegen der strengen Kälte damals. 1947 zum Beispiel war es eisig kalt. Meine Oma und ich waren mit einem Holzschlitten auf dem Ohlsdorfer Friedhof, um Brennholz zu sammeln. Sägen, Brechen von Ästen, man hörte es von überall. Einige Jungs trugen lange Wollstrümpfe zu der Zeit. Ich auch. Diese hier im Krankenhaus, um eine Thrombose zu verhüten. Und dann ein grünes Operationshemd. Vorne geschlossen, hinten offen. Zum Glück habe ich das Krankenzimmer für mich allein, lol. Dann Umlagerung auf die Rollbahre, Hin in einen der Operationssäle. Verkehr im Gang, denn die weiteren Operationssäle werden auch belegt. Eine weitere Umlagerung, und zwar auf den OP-Tisch. Eine Ärztin klärte mich noch mal auf. Es würden drei Schnitte in meinem Brustkorb gemacht. Eins für die Fernsehkamera, ein anderes für die Instrumente und ein drittes für einen Absaugschlauch. Der Knoten würde aus der Lunge geschnitten und dann von einem Pathologen untersucht. Ist er harmlos, bleibt alls so, ist er es nicht wird ein seitlicher Schnitt hinzugefügt und der untere Teil des Lungenflügels entfernt. Der verbliebene Rest hätte die Eigenschaft sich in den frei gewordenen Raum auszudehnen. Nun gut, sagte ich. Nun schlecht, wäre natürlich richtiger gewesen. Ich wurde verkabelt und hörte eine Stimme: „Ich injiziere das Betäubungsmittel“, und weg war ich.
Als ich aufwachte, war es vier Stunden später. Ich konnte kaum sprechen. Vorübergehend sei das, versicherte man mir. Ist ja schon mal was. Gut war natürlich, dass der PET, der zwei Wochen vorher gemacht worden war, stimmte. Negativ. Diesmal wurde eine Biopsie gemacht, mit dem gleichen Ergebnis. Zurück ins Bett. Das andere war inzwischen von einem weiteren Frischoperierten belegt. Ein blutiger Schlauch kam aus meinem Brustkorb hervor und endete in einem grünen Apparat, der gemächlich vor sich hingurgelte. Ein Aspirator, der Luft und Blut und wer weiß was sonst noch aus meiner Brust sog und in eine eineinhalb Meter Flasche beförderte. Damit war ich ans Bett gefesselt. Das war hinderlich, aber verständlich, da die Narkose noch nachwirken konnte.
Ich habe es richtig gemacht, das Ding entfernen zu lassen, sonst hätte ich noch mal in 5 Monaten einen weiteren CAT-Scan (in Italien nennen sie es TAC) machen lassen. Der Knoten wäre wohl weiter gewachsen und dann hätte man mir geraten, ihn entfernen zu lassen. So bin ich das Ding jetzt schon los und weiß schon jetzt, das es harmlos war. Dank der Infusion von Morphin spürte ich überhaupt keinen Schmerz. Sieht so aus, als ob das im Krankenhaus eine neue Errungenschaft sei, denn jeder Arzt, der hereinkam fragte: „Dolore?“ (Schmerz?) War keiner da. Und das war schon seltsam. Ich fühlte mich merkwürdig euphorisch, wollte aus dem Bett springen.
1999 war ich schon mal in diesem Krankenhaus. Ich war zu Haus vom Pferd gefallen. 5 gebrochene Rippen, komplizierter Schlüsselbeinbruch und ein Pneumothorax. Von Morphin keine Spur, dafür aber andständige Schmerzen. Irgendwie war das natürlicher. Und als Morphin nach einem Tag abgesetzt wurde, war mir, als sei ich ein Luftballon gewesen, der nun von einer Nadel zum platzen gebracht wurde. Und nachdem mein Bettnachbar nach Haus geschickt wurde, verlegte man mich in ein anderes Zimmer. Dort lag ein Signore schon so um zwei Monate herum. Eine Thrombose hat seine Beine gelähmt. Man versuchte ihn wieder gehfähig zu machen. Er hatte den ganzen Tag den Fernseher laufen. Eine Qual. Zu Haus sehe ich nicht fern. Zu schwachsinning. Nun hier musste ich es. Inzwischen war ich von dem Aspirator abgekoppelt worden. Mein Schlauch führte jetzt direkt zu einer Flasche, die ich mit mir herumschleppen musste. Alle Stunde kam eine Krankenschwester vorbei und spritzte mir was ein. Was für ein Leben. Zum Glück keine zwei Monate. Ich fuhr am Mittwoch nach Haus, wo ich mich langsam erhole. Hier muss ich mir selbst was einspritzen. Gegen Thrombose. Gestern habe ich mir zum ersten Mal eine Injektion verpasst. Na denn......
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