“Mergentheimer!” Der sah hoch. Dr. Stillers Gesicht war so ausdruckslos, wie es dessen Falten zuließen. “Ich hatte Sie doch gestern darum gebeten, Ihren Platz auszuräumen und zu gehen.” Stiller nickte dem Sicherheitsbeamten zu. “Tom, Doktor Mergentheimer wurde fristlos gekündigt. Der Mann hat genug Institutsgelder verschleudert. Sorgen Sie dafür, dass ich diesen Menschen nicht mehr sehe, wenn ich in einer Viertelstunde wieder komme.”
Die Äffin Viola hüpfte über die Labortische, sprang auf einen Schrank.
“Tom.” Mergentheimer reckte seinen Hals und sah zu dem Mann hoch, der sich den Kragen unter der Uniform lockerte und von einem Bein aufs andere trat.
“Tom, lassen Sie mich wenigstens die Viertelstunde weitermachen.”
“In Ordnung, Doktor. Aber bevor Dr. Stiller hier auftaucht, sind Sie draußen.”
Mergentheimer deutete auf zwei Bilder auf dem Tisch. Schwarze Kleckse auf weißem Papier?
“Tom, sehen Sie. Ein Klecks hat Rundungen, der andere Zacken. “Nun sage ich zwei Wörter: Bouba, Kiki.
Welches Wort passt zu welchem Klecks?”
Tom kratzte sich am Kopf. “Also, ich würde sagen. Bouba ist der runde, Kiki der kantige.”
Mergentheimer nickte aufgeregt. “Sie gehören zu den achtundneunzig Prozent, die das so sehen. So hat sich Sprache entwickelt. Sensorische Areale unseres Gehirns, vor allem der Gyrus Angularis, sie sind mit dem Sprachzentrum verbunden und assoziieren ‘Bouba’ mit einer runden, weichen Form und ‘Kiki’ mit einer kantigen, scharfen. Menschen fingen an, auf diese Weise Wörter zu bilden. Und Tom”, Mergentheimer zeigte auf Viola, die sie vom Schrank herab beobachtete. “Das Affenhirn besitzt die gleiche Struktur, die wir in jener Zeit hatten. ”
“Viola”, rief Mergentheimer und streckte ihr die Bilder entgegen. “Bouba! Kiki! – Viola!”, Mergentheimers Stimme wurde schrill. “Was ist Bouba!, Was ist Kiki? Nun sag schon.”
“Doktor.” Toms Gesicht legte sich in mitleidige Falten. “Affen können nicht sprechen.”
“Aber sie kann doch mit der Hand darauf deuten. Viola, Bouba! Kiki!” Viola sah von einem zum anderen.
“Und sie versteht auch nicht, was Sie sagen.” Tom schnallte seinen Waffengürtel ab und legte ihn auf den Tisch.
“Ich geh mal austreten. Wenn ich wiederkomme, muss ich Sie vor die Tür setzen.”
“Bouba! Kiki!” Viola starrte auf den kleinen Mann, der sich kopfschüttelnd hinsetzte. Dann griff Mergentheimer nach Toms Pistolengurt, zog die Waffe hervor und legte sie vor sich auf den Tisch. Aus Violas Perspektive sah sie eher kantig aus, dachte er und zeigte mit dem Finger darauf: “Viola, Kiki!”
Wie ein Blitz sprang die Äffin vom Schrank, griff nach der Pistole, zielte auf Mergentheimers Kopf und drückte ab.
Als Tom ins Labor zurückkehrte, lag Mergentheimer auf dem Boden und hörte, dass Viola einen zweiten Schuss abfeuerte. Er sah, wie die Äffin die Pistole an ihrem Fell abwischte. Dann beugte sie sich zu Mergentheimer hinab. Erstaunen war das Letzte, was dessen Bewusstsein ausfüllte, als Viola ihm die Pistole in die erkaltende Hand drückte, ihre Zähne fletschte und grunzte: “Bang-bang.” Dann sprang Viola auf den Schrank zurück und sagte kein Wort. Und das blieb auch so.
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