Coversong Roads

domenica, agosto 25, 2024

Minutennovelle: Abschuss


 Hans, Heinz und Willi saßen an einem Holztisch. Draussen wütete ein Sturm. Im Restaurant war es warm, die Scheiben beschlagen. Regen prasselte aufs Dach. Willi wischte mit der Hand das Fenster sauber. Schafe liefen auf dem Deich herum, hinter dem das Meer gegen Felsen des Ufers brandete. Vom Wolf, der sich hier herumtreiben sollte, keine Spur.

Eine Tür öffnete sich. Frau Gieseberg kam herein. Adrett. Anorak, dunke Hose, Stiefel und ein frisches junges Gesicht. Sie setzte sich zu den drei Schäfern und zog für jeden einen Bogen Papier aus ihrer Tasche.

„Das Urteil,“ sagte sie. „Auf den Wolf darf geschossen werden. Die Gerichtshilfe hat es mir gefaxt. Ich habe es kopiert.“

„Und was steht hier?“ Heinz zeigte auf einen klein gedruckten Absatz. „Wolfaktivisten sowie Wolf sind zum Abschuss freigegeben. Das soll wohl ein Witz sein?“ Heinz winkte die Bednung heran. „Doch darauf einen Korn.“

„Das ist kein Witz,“ meinte Hans. „Der Richter hat es unterschrieben.“

„Wer erschießt den Wolf?“

Der Wolf hatte sich vor Monaten über das Wattenmeer auf die Insel gepirscht und Schafe gerissen, die das Gras der Deiche kurz hielten.

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Das Wetter in Hamburg war auch nicht gerade berauschend. Mordkommission am Stadtpark. Schneider starrte Udo, der seinen Morgenapfel kaute, über den Schreibtisch hinweg an. „Was?“, fragte er.

„Auf der Nordseeinsel Söderböll wurde ein Wolf erschossen. Es hätten auch ein paar Aktivisten sein können; denn die wurden ebenfalls zum Abschuss freigegeben.“ Udo hielt die Bildzeitung hoch. Auf ihr war ein Diagramm der Insel zu sehen, die mit dem Festland durch das Wattenmeer verbunden war.

Dr. Schmidt, der Chef kam ins Büro, zeigte auf ein Papier und deutete dann auf Udos Bildzeitung.

„Habt ihr gesehen, ja? Wenn überhaupt, fällt es in die Zuständigkeit der Kripo von Schleswig Holstein. Ein Richter Holzenbier hat den Abschuss von Wolf und Aktivisten genehmigt.“

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Holzenbier, der von einem Lokalreporter befragt wurde, sah nicht glücklich aus.

„Ich habe den Wolf zum Abschuss freigegeben, da Schafe, die er riss, unsere Deiche durch ihre Freßgewohnheit haltbarer machten und uns vor der Flut schützten.“ Holzenbier hielt inne. „Das Kleingedruckte mit den Aktivisten habe ich übersehen – oder es wurde später von Elsa* hinzugefügt.“

„Elsa?“, fragte der Reporter. „Unsere Gerichtshilfe. Sie fehlt heute.“

Holzenbier lehnte sich zurück. „In Sekundenschnelle zeigte sie mir, wo es in der Rechtssprechung einen ähnlichen Fall gegeben hatte und bereitete meine Urteile vor. Ich unterschrieb sie dann.“

(* Mehr über Elsa in vorangegangenen Minutennovellen).

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