Hans atmete tief, schlenkerte mit den Armen und vertrat sich auf dem Rastplatz die Beine. Kalte Luft füllte seine Lungen. Schnee lag auf Weg und Rasen. Riesige Laster standen wie Legosteine aufgereiht auf dem anderen Parkplatz. Hinter ihnen röteten sich die Gipfel der Rocky Mountains unter der Sonne.
Colorado. So weit waren sie bisher mit ihrem Camper, in dem Shirley, seine Frau herum räumte, noch nie gekommen. Hans schlug mit Armen und Händen gegen seine Brust. Ihm wurde trotzdem kalt. Er hätte seine Jacke mitnehmen sollen, und er ging zum Camper zurück. Der fuhr plötzlich los. Etwas flog aus seinem Fenster in den Schnee. Hans stand da wie vom Blitz getroffen, rief und brüllte den Namen seiner Frau, dann lief er hinter dem Camper her, bis dieser auf der Highway verschwand. Dort stand Hans. Er begriff nicht, was in Shirley gefahren war. Jeans und Flanellhemd schlotterten um seine hagere Gestalt. Benommen stapfte er zurück, auf einen dunklen Fleck im Schnee zu. Es war seine Waschtasche, die aus dem Fenster geflogen war. Mit klammen Fingern zog er am Reiβverschluss, sah Zahnbürste, Seife, Rasierzeug und einen Zettel.
“Dreckiger Bastard! Hätte ich nicht zufällig zu Hause ein Gespräch angenommen, wüsste ich nicht, dass du in Deutschland eine Frau hast. Ich lasse unsere Ehe ungültig erklären, nehme den Camper und übergebe deine Klamotten der Altkleidersammlung. Lass dich nicht mehr zu Hause blicken.”
Mist aber auch, dachte Hans. Seine Kreditkarten steckten in der Jacke. Die Jacke war im Camper. Wie hatte Anna bloβ seine Telefonnummer rausbekommen? Und seinen Job in Shirley's Blumengroβhandel konnte er abschreiben. Verloren stand er auf dem schneebedeckten Parkplatz, sah hinüber zu den Trucks, zur Toilette, dem Cola Automaten davor, zum Telefon. Er kramte in seinen Hosentaschen, holte ein paar Münzen hervor, die mit hohlem Klang in den Apparat schepperten. International Call.
“Hallo Anna, mein Schatz! Ich bins, dein Hans.” Hundegebell hatte er noch nie ausstehen können. Die Stimme seiner Frau klang so ähnlich, dann klackte es. Hans sah wieder zu den Lastern hinüber.
“Ich steck in der Scheiβe.” Die Highway lief wie ein silbernes Band den Bergen entgegen. “Meine Frau ist mit unserem Camper abgehauen.”
Hans blickte auf den Fahrer. Grinste der? Er konnte nichts erkennen. Dessen Bart war im Weg. Der Laster fraβ die Meilen. Die Berge rückten immer näher. Der Mann neben ihm schob sich einen Kaugummi in den Mund und betätigte das Horn.
“Einen starken Rig hast du hier.” Das hörte sich komisch an. Hans wusste, Groβlaster wie dieser Freightliner wurden Rig genannt. Aber ‘starker Rig’? Man sagte auch Eighteen Wheeler. Achtzehn Rädriger. Bei ihren Doppelreifen zählte jedes Rad einzeln. ‘Starker Eighteen Wheeler' klang noch bescheuerter. Sie näherten sich Colorado Springs.
“Lass mich bei der Ausfahrt raus,” sagte Hans. “Eine Stadt ist so gut wie jede andere.”
Es zischte, als der Laster auf der Notspur hielt. Hans kletterte aus der Kabine. Frierend stand er mit seiner Waschtasche am Straβenrand, während der Truck im gleiβenden Licht der Sonne verschwand.
Jetzt brauch ich nen Wagen, der mich in die Stadt mitnimmt, dachte er, stampfte mit den Füβen und blies in die Hände. Und dann brauch ich nen Job und Vorschuss, damit ich mir Klamotten zum Wechseln kaufen und in irgend nem Motel übernachten kann. Und dann brauch ich ne Frau. Verdammt kalt hier. Und dann …
Nessun commento:
Posta un commento